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Kaltstart

Titel: Kaltstart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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organisch, innovativ, Raumschifftastatur. Richtig gut. Ist auch schon Windows 98 drauf. Kunde skeptisch gegenüber dem überflüssigen Mist, den Microsoft mit jeder neuen Version in seine Betriebssysteme einbaut, findet das Laptop trotzdem geil. Startet Windows Notepad, nur um ein paar Buchstaben reinzuhacken. Programm braucht ein bisschen lange zum Laden. Na ja, passiert halt mal. Kunde tippt drei Buchstaben ein. Cursor bewegt sich nicht mehr. Kunde kommt sofort ins Schwitzen, lächelt aber noch, als würde er fotografiert. Tippt noch ein Tasten an. Nix tut sich. Kunde schaut sich verstohlen um, Angstschweiß auf der Stirn. Verkäufer erzählt gerade anderem Kunden Bockmist. Kunde denkt fieberhaft nach. “Hab ich was kaputtgemacht? Muss ich das wieder hinbiegen?” Kunde kommt zu einem Entschluss: Alt-Strg-Del. Gar nix tut sich. Das Scheißteil ist so tiefgefroren wie eine Packung Fischstäbchen in der Supermarktkühltruhe. Jetzt kriegt Kunde richtig Angst. Hände sind feucht. Einfach wegrennen wäre von übel, Verkäufer hat ihn schon mal gesehen, Verkäufer können sich Gesichter merken. Kunde weiß, dass er’s nicht war. Windows 98 war’s. Kunde will das Verkäufer erklären. Verkäufer schäkert mit Kundin und erzählt ihr Bockmist. Kunde wartet, mit Angstschweiß auf der Stirn und tiefgefrorenem Lächeln. Tippt noch einmal auf das “U”. Reaktion: Null. Kunde wartet noch ein bisschen länger. Dann wird es ihm zu doof. Steht auf, und geht. Verkäufer steht mit dem Rücken zu ihm, sieht ihn nicht weggehen. Kunde denkt sich draußen: Hier komm ich nie mehr her.

Die neue Mobilität (Laptop Compaq Armada 1575 D / Suse Linux 6.2)

    Laptops sind toll. Sie sind leicht, vom Stromnetz unabhängig, und man kann sie deswegen überall hin mitnehmen. Die heutigen Laptops sind ein Büro im Kleinen, da passt alles drauf. Man kann das Ding aufklappen, und los geht’s. So sagt der Mythos. Bevor ich glücklicher Laptop-Besitzer wurde, hatte ich in einem kritischen Essay schon einmal angemerkt [15] , dass tragbare Computer zwar toll sein können, allerdings auch umgekehrt die ganze Welt in ein Büro, und die Landschaft in eine Fototapete verwandeln, getreu der Devise, dass kein Platz der Welt davor verschont sein soll, als Ressource und Arbeitsplatz zu dienen. Das war kritisch und richtig, aber als ich später tatsächlich ein Laptop erwarb, löste sich der Mythos in Luft auf. Ich hatte es angeschafft, weil ich ein halbes Jahr für meinen Sohn allein verantwortlich war. Da ich einem Zweijährigen nicht die Chance geben wollte, seinen honiggesüßten Fencheltee über ein Computergehäuse und eine Tastatur zu gießen, musste es ein Gerät sein, dass leicht wegzuschließen war, und daher entschied ich mich für einen Compaq Armada 1575 D, für mich gerade noch erschwinglich. Er hatte einen Pentium MMX 266 Mhz Prozessor, 64 MB Arbeitsspeicher, eine Platte mit 3,2 GB und auch sonst alles, was man brauchte. Er war grau, die Tastatur war sehr gut, und selbst mit dem Touchpad als Mausersatz kam ich glänzend zurecht. Nur leider war er absolut nicht mobil. Ich hatte diesen Formel II-Rennwagen ja, wie gesagt, eigentlich nicht gekauft, um damit durch die Weltgeschichte zu gondeln, aber ihn ein paar Mal im Zug locker aufklappen, um meine Sitznachbarn neidisch zu machen, oder mich unter einen Apfelbaum zu setzen, damit die Streuobstwiese zur Fototapete werde, das hätte mir schon gefallen. Ein Mann und sein hochmodernes Gerät bei der Arbeit, flexibel, mobil, schnell, ein Datenapache mit seinem tollen Jagdbogen, und die Damen hätten feuchte Höschen gekriegt. Es gab nur ein Problem. Das Teil war viel zu schwer. 3,2 Kilogramm Elektronik sind einfach nicht mobil, vor allem, wenn sie 3000 DM gekostet haben, und nicht einmal zehn Zentimeter tief fallen dürfen, weil sie sonst kaputt gehen. Ich hatte zwar eine superduper-gepolsterte Tasche mitgekauft, und wäre auch noch so weit gegangen, mir einen Zusatzakku anzulachen, aber das unhandliche Ding war mir viel zu empfindlich, um es irgendwohin mitzuschleppen. Vielleicht hatte ich mich ja durch die Erfahrungen mit dem Portfolio zu meinen komischen Mobilitätsphantasien verführen lassen, der war ja auch nur 400 Gramm schwer gewesen, und hatte in jede Jackentasche gepasst, außerdem hatte er erwiesenermaßen schon Stürze von einem halben Meter überstanden. Aber der Compaq war kein Portfolio, ganz und gar nicht, sondern ein Kanaldeckel mit Arbeitsspeicher, wenn auch ein ziemlich schöner.

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