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Kaltstart

Titel: Kaltstart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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es würde einige Nachtschichten einschließen, Telefonate, und jede Menge Angstschweiß, und das wollte ich nicht. Ich wollte etwas, was ich kannte. Ich wollte etwas, das funktionierte, jedenfalls manchmal, und ich wollte es gleich. Ich wollte von der Traufe zurück in den Regen. Ich wollte Windows wiederhaben. Daher zog ich um 2.30 Uhr die Notbremse, und machte Linux wieder platt. Dem Compaq lag eine CD bei, die das Grund-System (nämlich Windows) wiederherstellte, wenn es beschädigt worden war. Das war eine gute Idee, denn Windows zerstört sich bekanntermaßen ja manchmal ganz oder in Teilen selbst, und es gibt außerdem Benutzer, die zerspanen es auch noch freiwillig, indem sie es z.B. durch Linux ersetzen wollen. Also schob ich die CD ins Laufwerk, und machte tabula rasa. Etwa um 4.00 Uhr morgens war der Zustand wiederhergestellt, der vor dem Linux-Experiment auf der Festplatte meines Laptops geherrscht hatte. Nun ja, das Defragmentierungstool von Windows entdeckte 5 MB an kaputten Sektoren, als es die Festplatte prüfte, aber die lagen irgendwo an ihrem Ende, ich ließ sie für endgültig unbenutzbar erklären, und akzeptierte das als Preis für meine Dummheit. Nachdem ich ein bisschen geweint hatte, fiel ich in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
    Ich erzählte dem Softwarehändler, Linux wäre auf meinem Laptop uninstallierbar. Das war vielleicht nicht ganz wahr, aber es war viel wahrer als die Behauptung, es brauche zur Installation nur 30 Minuten. Ich bekam mein Geld zurück.
    Kann man glauben, dass ich noch einmal einen Versuch mit Linux startete? Man muss, denn es ist wahr. Ich versuchte, das Gelumpe in einer späteren Version auf einem großen Rechner zu erproben, und kam nicht einmal bis zur Plattenpartitionierung, denn meine Platte war zu groß, zu klein, zu benutzt für das beigelegte Partitionierungstool, ich gab es auf, und bekam ein zweites Mal mein Geld zurück.
    Linux ist das Betriebssystem der Zukunft, aber es stammt aus einer noch ferneren Vergangenheit als DOS, und um der Zukunft gerecht zu werden, wird es sich noch gewaltig anstrengen müssen.

Der Weg nach Santa Fé

    Es wurde Zeit für meinen zweiten fulminanten Auftritt in der Computerindustrie. Nachdem ich beige–roten Ziggurat den Rücken gekehrt hatte, heuerte ich zu denselben studentischen Bedingungen bei dem größten deutschen Standort eines weltweit operierenden amerikanischen Computer-Unternehmens an. Der lag damals in Böblingen-Hulb, ein Ort, der durch seinen Namen sehr treffend beschrieben. Wenn man sich eine Kreuzung aus dem Silicon Valley, dem Death Valley, und Thyssen vorstellt, das Ganze mit einer Bahnlinie mitten durch und an 300 Tagen im Jahr ohne Sonnenschein, dann kommt man ungefähr hin. Am Standort arbeiteten 8000 Menschen, und obwohl es dort ein wenig sauberer war als bei der Autofabrik in Sindelfingen, wo ich einige Jahre zuvor einmal vier ganze Tage verbracht hatte, war das Feeling in etwa das gleiche. Ich würde dieses Feeling in der Sprache der Psychologie als postindustrielles Depressionssyndrom bezeichnen. Schon die Anfahrt war schwierig. Ich hatte noch Glück. Ich lernte recht schnell einen Iren namens Dave kennen, der mich öfter in seinem Alfa Romeo mitnahm. Dieses Glück war nicht ganz ungeteilt, denn Dave war süchtig nach Musik, und obwohl wir beide in etwa den gleichen Musikgeschmack und auch den gleichen Humor hatten, war es mir manchmal ein wenig schwierig, morgens um Viertel vor Sieben im Takt der dröhnenden Boxen mitzuwippen, wenn ich mir doch eigentlich gern die Ohren zugehalten hätte. Dave war ein verständiger Mensch, aber ich hätte in seinem Auto nicht die Lautstärke der Musik bestimmen können, no way. Deswegen hielt ich die Klappe, und wippte manchmal etwas mühsam im Takt mit. Ich trat dann zwar relativ wach und mit durchgepusteten Ohren vor den Magnetkartenscanner an einem der vielen Eingänge, aber ich wollte meistens gar nicht so wach sein, ein wenig Müdigkeitsnebel ums Hirn hätte den ersten morgendlichen Schock doch vielleicht etwas dämpfen können. Ich zog meine Magnetkarte durch den Schlitz des Lesegeräts, schob mich mit fünf anderen durch die Tür, nickte dem Wachschutz kurz zu, der gerade Schichtwechsel gehabt hatte, und stapfte die Treppen hinauf in den zweiten Stock. Tür auf. Dort standen sie, in ihrem eigenen Glaskäfig, mit grünlichen Zahlenkolonnen auf den Bildschirmen, Reihen um Reihen von ihnen, die Herrscher der Welt. Ich vermute, es waren etwa einhundert Rechner,

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