Kalymnos – Insel deines Schicksals
sich völlig falsche Vorstellungen über ihre Besitzverhältnisse zu machen. „Glaub mir, Doneus, ich habe mehr Geld geerbt, als du vielleicht vermutest", erklärte sie. „Was spricht dagegen, dass ich einen Teil davon in den Fonds einzahle und so dazu beitrage, dass diesen Menschen geholfen wird?"
„Vergiss nicht, dass du bald wieder nach England zurückkehrst", wies er ihren Einwand zurück. Dabei beobachtete er sie haargenau, als erwartete er mit Spannung, wie Julie auf seine Worte reagieren würde. „In der Zeit, in der du dich dort aufhältst, wirst du dich kaum mit dem zufrieden geben, was ich dir hier bieten kann. Da wirst du das Geld gut gebrauchen können."
„Doch nicht alles!" entgegnete sie empört. Zugleich empfand sie tiefe Beschämung.
Denn Doneus schien ihr tatsächlich zuzutrauen, dass sie in der Lage war, ihr Erbe einfach für sinnlose Dinge zu verprassen.
Aber wie sie es auch versuchte, sie konnte Doneus nicht umstimmen. Er hatte Nein gesagt, und damit war die Sache für ihn erledigt.
Julie fügte sich in die Erkenntnis, dass es sinnlos war, ihm länger zu widersprechen.
Mehr als über seine Sturheit wunderte sie sich allerdings darüber, dass sie sich alles gefallen ließ. Wie kam es nur, dass dieser Mann eine solche Macht über sie hatte, dass all ihr Stolz unter seinem Einfluss dahinschmolz wie Schnee in der Sonne und sie ausgerechnet dann im Stich ließ, wenn sie ihn am dringendsten brauchte?
Denn wenn sie ehrlich zu sich selbst war, musste sie zugeben, sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass der Mann, der ihr gegenübersaß, von der Macht, die er über sie hatte, endlich Gebrauch machte - aber nicht, indem er ihr etwas verbot, sondern indem er von ihr verlangte, was sie ihm allzu gern geben würde: sich selbst.
Als Julie wenige Tage später auf einem Spaziergang durch das Nachbardorf kam, begegnete sie Astero, die sie zu sich einlud und ihr ein Glas Limonade zur Erfrischung anbot.
Ihr Stolz darauf, dass ihre Tochter Kyria einem Sohn das Leben geschenkt hatte, war noch genauso groß wie am Tag seiner Geburt. All ihr Mitgefühl galt deshalb Maroula, der Tochter ihrer Nachbarin, die vor wenigen Tagen ihr drittes Kind zur Welt gebracht hatte - das dritte Mädchen. Jetzt müsse sie sich von ihrem Mann und seiner Familie als
„Versagerin" beschimpfen lassen, wie Astero sich ausdrückte, weil es ihr nicht gelingen wollte, einem Stammhalter das Leben zu schenken.
Nach einer halben Stunde verließ Julie Astero, Kyria und Yannis und ging zu Maroula, um sie zu ihrer Tochter zu beglückwünschen. Aber anstatt einer strahlenden Mutter traf sie eine verweinte junge Frau an, die sich die Vorwürfe anscheinend zu Herzen genommen hatte.
„Hauptsache, das Kind ist gesund", versuchte Julie sie zu trösten.
„Das habe ich meinem Mann auch gesagt", berichtete Maroula unter Tränen. „Aber Davos ist so wütend auf mich, dass er nicht mehr mit mir redet. Und auf das Kind hat er bisher nur einen flüchtigen Blick geworfen."
Julie war empört über so viel Ignoranz, und als Davos kurze Zeit später das Haus betrat, ließ sie ihn das deutlich spüren. „Wissen Sie denn nicht, dass die Gene des Mannes über das Geschlecht eines Kindes entscheiden? Wenn Sie nur Töchter haben, ist das einzig und allein Ihre Schuld."
Davos starrte sie ungläubig an, schob sich die schwarze Pudelmütze in den Nacken und kratzte sich nachdenklich den Kopf.
„Einen solchen Unfug habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört!" platzte er heraus, als er sich wieder gefangen hatte.
Sofort erntete er einen entsetzten Blick seiner Schwiegermutter. „So kannst du doch nicht mit Mrs. Doneus reden, Davos", ermahnte sie ihn. „Entschuldige dich auf der Stelle, sonst wird dich Mr. Doneus noch fragen, was du dir dabei gedacht hast."
Zu Julies großer Überraschung machte Davos nicht die leisesten Anstalten zu widersprechen. „Es tut mir Leid, Mrs. Doneus. Es soll nicht wieder vorkommen", sagte er und legte seiner Frau zärtlich den Arm um die Schulter. „Mr. Doneus braucht sich nicht zu beunruhigen."
Erst jetzt fiel Julie auf, wie respektvoll jeder, den sie bislang getroffen hatte, über Doneus sprach. Immer, wenn über ihn gesprochen wurde, war von Mr. Doneus die Rede.
Andere wurden doch auch einfach bei ihrem Vornamen genannt, warum dann nicht auch er? Umgekehrt war es doch nicht anders: Wenn Doneus von einem seiner Bekannten erzählte, nannte er ihn immer nur beim Vornamen.
„Sie müssen verstehen,
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