Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalymnos – Insel deines Schicksals

Kalymnos – Insel deines Schicksals

Titel: Kalymnos – Insel deines Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hampson
Vom Netzwerk:
armen Kerl etwas abzukaufen. So Leid, wie er ihr tat, wollte sie ihm einfach etwas Geld zustecken.
    „Würden Sie bitte trotzdem so nett sein, ihn zu mir zu rufen?"
    Widerwillig fügte sich der Mann. „Manolis!" rief er, und auf seine Krücken gestützt, schleppte sich der Angesprochene zu ihnen.
    Julie gab ihm ein paar Drachmen, ohne eine Gegenleistung dafür annehmen zu wollen.
    Es wunderte sie ziemlich, dass er eher beleidigt als erfreut wirkte, als er sich humpelnd von dannen machte, um seine Ware doch noch loszuwerden - so unwahrscheinlich es auch war.
    Sie sah ihm nach, bis er im Schatten der Bäume, die den Bürgersteig säumten, verschwunden war. Dann rief sie den Kellner, bezahlte und stand auf. Ihr Nachbar schien ein wenig enttäuscht, dass sie schon gehen wollte. Viel wäre es nicht, was er seinen beiden Freunden berichten könnte.
    Aber Julie war mit ihren Gedanken ganz woanders. Die Begegnung mit dem jungen Mann, der durch seinen Beruf zum Krüppel geworden war, hatte sie ungeheuer deprimiert.
    Und während sie die Uferpromenade entlangging, fasste sie einen spontanen Entschluss. Sie wusste jetzt, was sie mit ihrem Geld Sinnvolleres machen konnte, als Doneus' Hütte renovieren zu lassen. Sie wollte es dazu verwenden, solchen Menschen wie dem, den sie eben kennen gelernt hatte, das Leben ein wenig erträglicher zu machen.

9. KAPITEL
    Julie war von ihrem Einfall derart begeistert, dass sie schon auf der Rückfahrt begann, konkrete Pläne zu schmieden. Als Erstes musste sie sich eine sinnvolle Verteilung des Geldes überlegen. Noch wusste sie ja nicht einmal, wie viele Menschen es hier überhaupt gab, die ein ähnliches Schicksal ereilt hatte.
    Als sie abends mit Doneus beim Essen saß, berichtete sie ihm von ihrem Erlebnis und bat ihn um seinen Rat.
    Er reagierte keinesfalls so begeistert, wie sie erhofft und wohl auch erwartet hatte.
    Stattdessen schwieg er eine ganze Zeit lang und sah Julie nachdenklich an. „Ich bin mit dem, was du vorhast, überhaupt nicht einverstanden", lehnte er schließlich entschieden ab.
    „Warum denn nicht?" fragte sie verständnislos.
    „Weil du den Menschen einen Bärendienst erweisen würdest, Julie", erwiderte Doneus. „Dein Wunsch, mit deinem Geld Gutes zu tun, in allen Ehren. Aber hast du dir schon mal überlegt, ob diese Männer deine Almosen überhaupt wollen? So übel das Schicksal ihnen auch mitgespielt haben mag - ihren Stolz haben sie nicht verloren. Und bevor sie sich von irgendjemandem abhängig machen, versuchen sie lieber, etwas Geld zu verdienen - durch welche Arbeit auch immer, sei es, dass sie wie der, dem du begegnet bist, irgendetwas verkaufen, sei es, dass sie Hilfsarbeiten übernehmen."
    Julie war völlig verwirrt. Konnte sie sich in dem Mann und dem Eindruck, den er auf sie gemacht hatte, wirklich so sehr geirrt haben? „Du willst mir doch nicht weismachen, dass es diesen armen Menschen Spaß macht, sich durch solch unwürdige Tätigkeiten zu erniedrigen?"
    „Erniedrigen würden sie sich erst dann, wenn sie den ganzen Tag zu Hause säßen und sich darüber beklagten, wie schlecht die Welt ist. Außerdem muss keiner von ihnen Angst haben zu verhungern. Denn wie innerhalb der Familie ist uns auch der Zusammenhalt unter den Inselbewohnern ungeheuer wichtig, so dass keiner der Menschen, für die du dein Herz entdeckt hast, ohne finanzielle Unterstützung auskommen muss."
    „Aber woher soll das Geld denn kommen? Von den Schwammtauchern ja wohl kaum.
    Und andere Einnahmequellen gibt es hier ja nicht, wie du selbst gesagt hast."
    „Erstens darfst du die Solidarität unter uns Seeleuten nicht unterschätzen", erklärte Doneus mit ernster Miene. „Zweitens schicken viele von denen, die irgendwo anders Arbeit gefunden haben, regelmäßig Geld nach Hause. Und drittens haben einige mit dem Schwammtauchen ein kleines Vermögen gemacht. Nicht als Taucher, wie ich zugeben muss. Aber irgendjemand muss die Schwämme ja weiterverkaufen. Diese Großhändler sind zum Teil sehr vermögende Leute geworden. Und einer von ihnen hat vor mehreren Jahren einen Fonds gegründet, aus dem unter anderem auch der junge Mann, dem du heute in der Stadt begegnet bist, unterstützt wird."
    „Und wenn ich Geld in diesen Fonds einzahlen würde?"
    „So Leid es mir tut, Julie, aber auch das kann ich nicht erlauben."
    Julie war maßlos enttäuscht. Es war sicherlich gut gemeint von Doneus, dass er sie davor schützen wollte, ihr Erbe unbedacht zu verpulvern. Außerdem schien er

Weitere Kostenlose Bücher