Kalymnos – Insel deines Schicksals
Unheil angerichtet hatte, zu vergeben und zu vergessen.
Bedrückt ging sie in ihr Zimmer, zog sich aus und legte sich ins Bett. Aber anstatt zu schlafen, wälzte sie sich ruhelos hin und her. Nun hatte sie den Beweis dafür, was sie die ganze Zeit befürchtet hatte: Sie hatte ihn viel zu sehr gekränkt, als dass er ihr je verzeihen könnte. Konnte oder wollte er nicht wahrhaben, wie sehr sie ihr Verhalten bedauerte?
Einen Versuch, einen letzten Versuch, ihn davon zu überzeugen, war sie sich schuldig.
Notfalls würde sie ihn auf Knien bitten, ihre Entschuldigung anzunehmen - und zwar sofort!
Die Tür zu seinem Zimmer war nur angelehnt. Leise betrat Julie die Schwelle.
„Schläfst du schon, Doneus?" fragte sie in die Dunkelheit hinein.
Aber wie sie selbst war auch er noch hellwach. „Warum fragst du?"
„Darf ich reinkommen? Ich würde gern etwas mit dir besprechen."
Julie sah, wie ein Streichholz aufflammte. „Um diese Uhrzeit?" fragte Doneus verwundert und zündete die Kerze auf seinem Nachttisch an. „Was gibt es denn so Wichtiges?"
Beklommen kam sie an sein Bett. „Ich wollte dir sagen, wie unendlich Leid es mir tut..." Sie rang verzweifelt nach Worten. „... die Antwort, die ich dir gegeben habe ... dass ich aus Mitleid vor deiner Tür ... Ich weiß jetzt, wie sehr ich dich damit verletzt habe.
Und ich möchte dich bitten, mir zu verzeihen."
Doneus hatte sich unterdessen im Bett aufgerichtet und sah Julie eine ganze Weile schweigend an. „Das freut mich zu hören", erwiderte er schließlich. „Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass du mir eigentlich etwas ganz anderes sagen willst."
Als hätte er mit diesem kleinen Satz endgültig das Eis in ihr zum Schmelzen gebracht, spürte Julie plötzlich das unstillbare Verlangen, Doneus in die Arme zu sinken. War das wirklich noch mit Mitleid zu erklären? Oder war sie tatsächlich drauf und dran, sich in ihn zu ...?
Julie wagte nicht, den Gedanken weiterzuverfolgen. Es konnte, es durfte nicht sein.
Nie würde sie es zulassen, dass sie sich in ihn verliebte. Schließlich könnte sie sich ja auch nie sicher sein, dass er gesund und unversehrt von seiner gefährlichen Arbeit wiederkam. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute gar konnte ihm etwas zustoßen. Und was dann? Nie würde sie mit dem quälenden Gedanken leben können, dass eines Tages irgendein Fremder vor der Tür stände, um ihr mitzuteilen, dass ihr Mann bei der Arbeit tödlich verunglückt sei.
„Ich bin wirklich sehr müde", sagte Doneus plötzlich ungeduldig, weil Julie auf seine Bemerkung nichts erwiderte. Vielleicht war es auch besser so, dass ihm ihre Gedanken verborgen geblieben waren. Denn er wirkte nicht nur erschöpft, sondern auch sehr traurig und mutlos, fast verzweifelt. Könnte sie die Verletzungen, die sie ihm zugefügt hatte, doch nur ungeschehen machen!
„Du solltest auch wieder ins Bett gehen, Julie."
Aber Julie rührte sich nicht von der Stelle, sondern beobachtete fasziniert die flackernden Schatten, die das Kerzenlicht auf Doneus' markantes Gesicht warf. Je länger sie ihn ansah, umso klarer wurde sie sich darüber, dass sie nichts anderes begehrte, als ihm so nah wie nur möglich zu sein, seine Haut an ihrer zu spüren, seinen Körper an ihrem, bis sie beide schließlich eins sein würden.
Und was vor wenigen Augenblicken noch undenkbar gewesen war, schien Julie jetzt das Selbstverständlichste der Welt. „Möchtest du nicht, dass ich heute Nacht bei dir bleibe?" drängte sie sich ihm förmlich auf.
Seine Antwort ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. „Nein, Julie, das möchte ich nicht." Und obwohl er genau sehen musste, wie sehr er sie damit quälte, fügte er hinzu:
„Nicht, solange ich annehmen muss, dass du es allein aus Mitleid tust."
Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sich Julie wieder halbwegs gefangen hatte.
„Glaubst du wirklich, ich stehe mitten in der Nacht zitternd und frierend vor deinem Bett, weil ich Mitleid mit dir habe?"
Aber er ließ ihren Einwand nicht gelten. „Warum denn dann? Weil du plötzlich zu deinen wahren Gefühlen stehst? Bislang hast du dich doch auch mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Und das mit einigem Erfolg, wie wir beide wissen. Nein, Julie, dein Sinneswandel kommt mir etwas zu plötzlich. Bevor ich nicht absolut sicher sein kann, dass auch nicht der geringste Funken Mitleid im Spiel ist, will ich davon nichts wissen.
Und jetzt möchte ich schlafen. Ich habe einen anstrengenden Tag vor mir."
Seit dieser
Weitere Kostenlose Bücher