Kammerdiener gesucht
an, und jubelnd lief ihr die alte Lina entgegen. Die hatte aber ihre Gedanken beisammen, begrüßte die »alte Freundin« per Du, und alles war in bester Ordnung. Sie führte Schirin in den oberen Stock des schlichten Baues und zeigte ihr das hübsche Zimmerchen, welches sie bewohnen sollte. »Alte Lina, du hast ja ein Prachtgemach für mich zurechtgemacht! Gemütlich ist es, und ich glaube, so bald gehe ich nicht wieder fort. Hast du mit Fräulein Bergemann über mich gesprochen?«
»Hab' ich, und das gnädige Fräulein freute sich, daß ich Besuch bekäme.«
»Na also. Ich werde mich ab und an nützlich machen und dir helfen, dann sieht das auch besser aus. Ist ganz sonderbar für mich, wieder auf Gleichen zu sein. Heimat bleibt Heimat, auch wenn sie in andere Hände übergegangen ist. Habt ihr es gut bei den Bergemanns?«
»Besser könnten wir es nicht getroffen haben. Fräulein Bergemann reitet übrigens jeden Tag, mal auf Grane, mal auf Wotan. Der Herr Professor ist leider nicht ganz gesund. Er muß sich das linke Bein wohl sehr schwer verletzt haben. Beide sind gut zu uns. Und nun sind auch noch Castor und Pollux hier, richtig gemütlich ist es jetzt. Kommt nun noch das Baroneßchen, dann ist es ganz wie in alten Zeiten.«
»Nicht ganz so, liebe Alte. Aber wie ich schon sagte - Heimat bleibt Heimat. Eigentlich eine verrückte Idee von Kuno und Gertraude, sich hier als Angestellte einzuschmuggeln. Aber für Kuno wollte sich einfach keine rechte Berufsmöglichkeit finden. Gertraude verdient halt nur gerade das Nötigste. Aber das Heimweh hat die beiden immerzu gequält. Wir Gleichens lieben nun eben dieses alte Schlößchen über alles. Ich kann es meinem Bruder übers Grab nicht verzeihen, daß er alles Hab und Gut am Spieltisch verjuxt hat.«
»Aber er büßte es doch ab, Frau Stadtrat.«
»Nein«, war Schirins harte Antwort, »sein Selbstmord war eine Feigheit, ebenso unverzeihlich wie sein Lebenswandel. Aber lassen wir das, wir haben andere Sorgen.«
»Ihnen aber geht's gut, Frau Sörensen?«
»Wenn du dich endlich wieder drauf besinnst, daß ich deine Freundin Klara bin, was mein zweiter Taufname ist, wird's mir noch besser gehen. Übrigens, der Kuno, der Windhund, hat sich fabelhaft beherrscht, als er mich aus dem Bus steigen sah. Nicht mit 'ner Wimper hat er gezuckt.«
»Er gibt sich viel Mühe, mit all dem Neuen zurechtzukommen. Hoffentlich hält er durch, bis die Geschwister so oder so ein Ziel erreichen und sich ein bissel Geld ersparen konnten. Nun muß ich dich aber bitten, Klara, daß du die Mahlzeiten unten in der Leutestube mit uns einnimmst. Ich wüßte sonst nicht, wie ich es einrichten soll -«
»Darüber ist kein Wort zu verlieren. Überleg' dir, was ich an Arbeit machen kann. Ich darf nicht einfach hier nur so als faulenzender Gast herumsitzen. Nur bitte keine Möhren schaben. Kartoffeln schälen ist auch nicht gerade meine Leidenschaft.« Lächelnd legte Schirin der Alten beide Hände auf die Schultern. »Also schauen wir zu, daß wir den Kindern helfen können. Nur darum bin ich hier.«
V
Nachdem Gertraude das Telegramm ihres Bruders bekommen hatte, packte sie sofort seine Sachen, wie es besprochen war. Tief atmete sie auf dabei. Es schien wirklich gutzugehen mit Kuno und den Dackelhunden. Wie herrlich, wenn es auch bei ihr selbst klappen würde und sie bald bei dem geliebten Bruder, den Hunden, den Pferden und eben bei alledem sein durfte, was Heimat hieß! Noch gab sie sich nur zagender Hoffnung hin, daß dieses abenteuerliche Unternehmen auch für sie gut ausgehen würde, und glaubte nicht zu fest daran, um nicht bitter enttäuscht zu sein. Oh, wäre es doch schon Wochenende und sie im Torhaus Gleichen, damit sie wußte, wie es für sie werden sollte!
Am Sonnabend zog sie sich schlicht, aber doch ansprechend an. Die Strecke war ihr nicht unbekannt, der Bus vertraut; der Busschaffner lächelte ihr freundlich zu, da er die Baronesse erkannte . Näher und näher kam sie der Heimat, jetzt kannte sie jeden Busch, jeden Baum. Da stand sie nun, das Tor war verschlossen, aber sie wagte nicht den gewohnten Griff durch das Gitter, um eintreten zu können. Plötzlich hörte sie einen vertrauten Pfiff: Wagners Motiv »Winterstürme wichen dem Wonnemond«. Also war Kuno in der Nähe. Schon hob sich ihre Stimmung, und lächelnd sah sie sich um. Aber nicht Kuno, o nein, Tantilein stand da hinter dem Parktor.
»Du hier, geliebte Gute? Wie soll ich mir das erklären?«
Ein Kuß,
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