Kammerdiener gesucht
Preise erzielen, da sie eine sogenannte Gottgemeinschaft darstellen, ein Gegenstück zu unserer göttlichen Dreieinigkeit. Sie sind aus einem zu Stein gewordenen Holz vergangener Jahrhunderte hergestellt. Das Geheimnis, solches Material zu bearbeiten, haben die ausgestorbenen Mayas mit in die Unendlichkeit genommen. Jedenfalls sind die Figuren aus einem Stück gearbeitet, und schon das stellt ein Wunder dar. Aber du hast genauso recht wie Mary: sie sind scheußlich.«
»Also, so bald wie möglich weg mit ihnen! Auf die Arbeit in der Bibliothek freue ich mich, das ist gerade so etwas für mein Bücherherz. Mir geht's leider genauso wie dir, daß eine Schreibmaschine für mich ein wildes Tier darstellt, also wäre auch für die Katalogarbeit eine Tippse zu begrüßen.«
»Erst die Tippse haben, dann die Tippse arbeiten lassen. Natürlich werde ich nicht jeden Tag mit ihr arbeiten können. Bisher bin ich nicht einmal an die Vorarbeiten gegangen. Habe ich aber so ein Wesen endlich hier, sollst du einmal sehen, wie es losgeht. Ja, was ist, Kuno?«
»Verzeihung, Herr Professor, daß ich störe - aber noch weiß ich nicht über Ihre Wünsche bezüglich Umkleidens für das Abendessen Bescheid.«
»Gut, daß Sie fragen, Kuno. Zur Zeit nehmen wir das hier nicht sehr wichtig. Ich scheue mich vor jedem Treppensteigen und verbleibe meist so, wie ich gerade bin. Ich hoffe, die Ahnen dieses Schlößchens werden mir das nicht mit Alpdruckträumen ankreiden.«
Kuno wußte nur zu genau, daß die letzten Ahnen es mit dem Umkleiden ebenfalls nicht wichtig genommen hatten, weder sein Großvater, der oft im Reitdreß zu Tisch kam, noch sein Vater, der, wenn er auch selten im Torhaus Gleichen war, niemals viel von Etikette hielt.
»Dann werde ich, wenn es Ihnen recht ist, Herr Professor, mich indessen zwecks Information in Ihrem Schlafzimmer Umsehen. In einer Stunde wird zu Abend gegessen. Ich erlaube mir, die Herren rechtzeitig darauf aufmerksam zu machen. Die Garderobe des Herrn Brunnig ist bereits in die Schränke eingeräumt.« Kuno zuckte mit keiner Wimper, als er dies meldete, wenngleich er nur eine Wechselhose ungenauer Farbe, eine leichte Sommerjacke und einige Wäschestücke eingeräumt hatte.
»Schön, wenn's auch Blödsinn ist. Den Kram hätte ich gut allein versorgen können. Hoffentlich haben Sie sich vor der Eleganz meiner Garderobe nicht erschreckt?« bemerkte der Gast.
»Nicht die Rüstung macht den Wert des Mannes aus, sondern sein tapferes Herz«, rezitierte Kuno und fügte sofort hinzu, daß er den Wappenspruch der Gleichen auf dem Steinwappen am großen Tor gelesen habe.
»Trefflich, daß Sie für so etwas Augen haben«, erklärte Michel Brunnig, der eine unglückliche Liebe für Pädagogik hatte.
Es blieb Kuno nichts anderes übrig, als sich mit einer berufsmäßigen Verbeugung zu entfernen.
Achim sah ihm grübelnd nach. »Hat beachtlich viele Vorzüge, mein neuer Kammerdiener. Hoffentlich kommt nicht das dicke Ende der Enttäuschung nach. Aber nun, guter alter Michel, sag' mir, wie lange du bleiben kannst.«
»Wenn ich euch nicht auf die Nerven gehe, dann treibt mich gewissermaßen nichts heim, ehe der Frost kommt. Ich habe nämlich in meiner Hundehütte den Wasserhaupthahn nicht abgedreht.«
»Dafür könnte man dir ja einmal drei Tage Urlaub bewilligen«, meinte Achim fröhlich. »Bin verdammt froh, dich alten Rübezahl wieder hier zu haben.«
Hedrich hatte sich eilig zum Tor begeben und wollte in ergebensten Verbeugungen vor der Frau Sörensen, geborenen von Gleichen, zusammenklappen. Aber sie stupste ihn beinahe grob vor die Brust. »Laß den Quatsch, Alter - ich bin hier als Linas Freundin und nicht die ehemalige Baronesse Gleichen. Also, Schluß mit dem Getue! Meinen Koffer kannst du aber trotzdem tragen, das mache ich doch verdammt noch mal, nicht gerade gern. Sag mal, wie kommt denn dieser Mann, den mein Neffe Kuno, der ulkige Kammerdiener vorhin hier abholte, dazu, Gast im Torhaus Gleichen zu sein? Ich kenne ihn nämlich von München her, er wohnt in der Vorstadtsiedlung wie ich auch.«
»Der Herr Brunnig ist ein alter Freund vom Herrn Professor und war schon zweimal längere Zeit hier auf Besuch. Darf ich mich erkundigen, wie es Frau Stadtrat geht?«
»Frau Sörensen bin ich und nichts anderes, bis ich hier erst mal klarsehe und weiß, wie es mit Gertraude wird. Sie kommt voraussichtlich übermorgen her, verplappert euch bei ihr gefälligst auch nicht!« Bald kamen sie am Hofquergebäude
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