Kammerdiener gesucht
Bergemann werden?«
»Warum nicht? Wir kennen die Angestelltenzimmer in Gleichen; sie sind gemütlich und haben alle ein kleines Öfchen. Was ein Diener zu tun hat, weißt du doch auch.«
»Und wenn der Professor ein Patentekel ist?«
»Schau nicht hin, wenn du sein Kammerdiener bist, und erhol dich abends bei einem Schwatz mit mir, falls ich auch engagiert werde.«
»Und wenn nicht?«
»Es muß klappen: entweder wir vier oder keiner!«
»Mädel, ich kenne dich ja gar nicht wieder! Du bist richtig Feuer und Flamme bei dem Gedanken.«
Gertraude legte den Arm um ihn und sagte leise: »Ich hab' doch so tolle Sehnsucht nach dem Torhaus Gleichen, nach dem Garten, nach Grane und Wotan. Und sicher ist Lina noch dort und der alte Hedrich -«
»Päng - es geht ja gar nicht.«
»Warum denn nun nicht?«
»Wenn die beiden Alten uns verraten, was dann? Angenehm wäre die Situation für uns nicht gerade.«
»Sobald wir Näheres wissen, schreibe ich an Lina und erkläre ihr alles, damit sie und Hedrich uns nicht verraten. Kuno, es muß klappen - es muß einfach klappen!«
»Und wenn nicht?« Kuno spielte mit den seidenweichen Dackelöhrchen von Castor und Pollux. »Heh - was sagt ihr denn dazu? Ist Frauchen verrückt oder nicht?«
Da beide Dackel nun frenetisch Gertraude die Hände leckten, konnte man dies wohl als volle Zustimmung ansehen. »So, ihr haltet sie nicht für verrückt? Also gut, Schicksal, nimm deinen Lauf! Wie spät ist es denn?«
»Ungefähr fünf Uhr.«
»Dann gib Geld, altes Mädchen.«
»Du willst also telefonieren?«
»Klar - soll uns vielleicht ein anderer zuvorkommen? Und hat es bei mir geklappt, rufst du auch gleich an. Später rufe ich dann als Dackelbesitzer an. Das Ding drehe ich dann schon irgendwie.«
Mit hochroten Wangen nahm Gertraude einen Geldschein aus ihrem schmalen Portemonnaie. »Man muß eben ab und zu etwas ins Geschäft stecken, sagt mein jetziger Chef immer.«
»Kluger Mann, aber ein Knallkopp.« Er küßte Gertraude, strich ihr über die Wangen und brummte, um seine eigene Rührung und Erregung zu verbergen: »Na, dann halt mal indessen die Stellung. Koch einen starken Kaffee. Klappt es, kann ich ihn brauchen, klappt es nicht, brauche ich ihn noch nötiger. Also koch ihn.«
»Komm aber so bald wie möglich wieder. Nein, Dackelhunde, bleibt hier. Herrchen hat Wichtiges zu tun.« Und dann wartete sie aufgeregt, nervös, zagend und doch wieder hoffend auf die Rückkehr des Bruders.
»Was liest du denn da, Achim?«
»Die Bibel, Mary«, war die nachdenklich klingende Antwort.
»Willst du schon wieder den Spuren der Vergangenheit nachgehen?« Mary, ein interessantes junges Mädchen von fünfundzwanzig Jahren beugte ihre schlanke Gestalt über die Schulter des sehr viel älteren Bruders, legte ihre Wange gegen seine und schaute interessiert auf die großen Seiten einer sehr alten Bibel, die Achim auf den Knien hielt. »Welch sonderbare Schrift, und wie kunstvoll diese Zeichnungen für die einzelnen Abschnitte!«
»Fraglos eine interessante Kostbarkeit, die wir hier vor uns haben, Mary. Ich war soeben dabei, einiges im Buch der Bücher nachzulesen. Ich bin wohl nicht klug genug, diese verschlüsselten prophetischen Worte alle zu begreifen. Ist es nicht wunderbar, daß einfache, des Lesens ungewohnte Menschen mit diesem uralten philosophischen Werk zurechtkommen -daß zum Beispiel Mexikaner, die auf irgendeinem unwegsamen Hochplateau ihres unerforschten Landes leben, diese Worte zu begreifen vermögen, obwohl sie noch den innerlichen Kampf des alten Götzenglaubens durchstehen müssen?«
»Vielen Dank, Herr Professor, für diesen kleinen Wochenendvortrag!« Mary, wie der Bruder sie gern nannte, rieb ihr keckes Naschen an seiner Wange. »Hatten wir aber nicht ausgemacht, daß mein gescheiter Bruder hier in Gleichen wenigstens ein Jahr ausspannen soll?«
»Dies hatten wir, und es ist richtig so. Aber ich kann doch nicht zur Erholung alte Bände von >Herzblättchens Zeitvertreib durchlesen. Außerdem interessiert mich an diesem Exemplar auch etwas anderes -« Achim blätterte zurück, bis er die vorgehefteten Blätter mit Familieneintragungen fand. »Setz dich mal hier auf die Lehne meines Sessels, nimm diese Lupe und schau dir den Abdruck eines vermutlichen Familiensiegels an. Was erkennst du da?«
Mary beugte sich, bewaffnet mit der großen Lupe, über eine der altmodisch verschnörkelt geschriebenen Eintragungen. »Nun, mir will scheinen, als könnte ich da zwei
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