Kammerdiener gesucht
seines Amtes war, und zog sich dann, wie gehabt, diskret zurück, nicht ohne festzustellen, daß Mary Bergemann wieder verdammt hübsch aussah, was den Schlag seines Herzens leicht beschleunigte.
»Hörtest du schon, ob Fräulein Horn den Bus erreichte?« fragte Achim die Schwester und streute Pfeffer auf die Eier.
»Hätte es nicht seine Richtigkeit gehabt, würden wir es gehört haben. Willst du noch eine Scheibe Toast, Michel?«
»Da kann ich nur zurückfragen, ob du mich mästen willst. Was ich hier frühstücke, reicht mir daheim für den ganzen Tag.«
»Kein Wunder also, daß man deine Knochen rasseln hört, alter Freund«, warf Achim lachend ein. Dann fragte er die Schwester: »Bilde ich es mir ein, oder hast du heute schlechte Laune, Mary?«
»Bestimmt nicht, bin nur ein wenig müde. Wotan hatte heute seinen Kopf für sich, und ich mußte ihm zeigen, daß meiner doch härter ist.«
»Dann laß ihn doch nächstens von Kuno reiten, und du nimmst die sehr viel weichere Grane. Es wäre mir lieb, wenn er dich öfter begleiten würde, damit du nicht so allein auf den Ritten bist.«
»Kuno wurde als Kammerdiener für dich engagiert, nicht als Stallmeister für mich. Damit wäre dies beantwortet. Michel, bist du heute sonntäglich faul, oder wollen wir nachmittags in der Bibliothek arbeiten?«
»Wie du es haben willst.« Michel stopfte schon seine Pfeife, ließ sie aber noch liegen. Achim warf einen schnellen Blick zu Mary, sagte aber nichts weiter zum Fall »Stallmeister«.
Es wehte also etwas Gewitterluft über dem Torhaus Gleichen. Diese wurde noch geballter, als sich am Vormittag Schirin Sörensen und Michel Brunnig plötzlich im Park auf dem Weg zum Tor gegenüber standen.
Freundlich waren ihre Blicke nicht, sie sahen sich an, als würde jeder gern bei der Beerdigung des anderen als Hinterbliebener dem Sarg folgen. Grüßen? Warum denn? Ausweichen? Wieso? Oder gar freundlich lächeln? Kam überhaupt nicht in Frage! Sie standen wie zwei Monumente da, kniffen ihre Lippen zusammen, schielten sich an und warteten.
Schirin hatte die längere Beherrschung, Michel verlor die Geduld. Knurrend fragte er kurz: »Mußten Sie mir meine Morgenstimmung verderben?«
»Mußte ich ausgerechnet Ihr Klappergestell als Sommerfreude beschert bekommen?«
»Dann weichen Sie mir doch aus, und lassen Sie mich in Frieden.«
»Ich Ihnen ausweichen? Bin ich verrückt, Herr? Ich bin die Dame, also-«
»Verstand ich richtig? Sagten Sie Dame?«
»Da dies kein Fremdwort ist, haben Sie richtig verstanden, Sie alter Knetterkopp. Unliebenswürdiges dürres Gestell!«
»Ihretwegen werde ich mir keinen Wanst anfuttern. Was wiegen Sie überhaupt?«
»Nie sollst du mich befragen -«, summte sie leise.
»Einiges von Ihrem Wagner habe ich auch behalten, und so antworte ich: Zuviel, zuviel - oh daß ich nie erwachte!«
»Wieso? Sehe ich aus, als hätte ich vielleicht Brünnhildes Seelenbekenntnis von mir gegeben: Des Helden herrlichste Ehre zu teilen verlangt mein eigener Leib?« Ein wenig falsch sang Schirin, und nur kurz antwortete er darauf: »E und nicht G, Verehrteste - etwas von Musik verstehe ich doch. Laut ist nicht immer schön und richtig.«
»Als der liebe Gott Sie auf die Welt schickte, muß er aber eine ganz besondere Feierstunde gehabt haben.«
»Mit Ihnen hatte er bestimmt weniger Freude, impertinente Person!« Der Rübezahlbart stieß vor, und kurz und schnell, ohne lange zu überlegen, packte Schirin ihn, zauste den Erschrockenen und fragte spöttisch lachend: »Warum eigentlich müssen wir zwei Alten uns hier in dem herrlichen Park in der schönen Natur herumstreiten? Wollen wir das nicht ruhen lassen, bis wir wieder in München sind?«
»Soll ich das als ein Angebot betrachten?«
»Friedensangebot, ohne lange vorherige Verhandlungen, wie sie sämtliche Politiker der Welt benötigen, da sie um alles auf der Welt nichts einfach schlichten können.«
»Wollen Sie etwa von Politik auch etwas verstehen?«
»Was man halt so durch die Tageszeitung mitbekommt. Also, wie ist es - darf ich Ihnen 'ne prima Friedenszigarre anbieten? Den Schreck, daß ich Zigarren rauche, haben Sie ja schon in München durchgestanden.« Schirin kramte in der Schürzentasche und holte ihr schmales Zigarrenetui hervor. »Na - wie ist es?«
»Lieber Himmel, ehe ich mich schlagen lasse, Sie unglaubliches Frauenzimmer! Hm - riecht gut, finde ich.« Michel schnupperte an der Zigarre herum, dann aber wurde er Kavalier und reichte ihr sogar
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