Kammerdiener gesucht
Blick mochte Achim bemerkt haben, und lächelnd fragte er: »Diese Götzenbilder gefallen Ihnen wohl nicht, Kuno?«
»Offen gestanden, nein, Herr Professor. Schön kann ich sie wirklich nicht finden, sondern beinahe unheimlich.«
»Da sind Sie gleicher Ansicht mit meiner Schwester, welche die Statuetten, obwohl sie unerhört wertvoll sind, nicht sehen mag und sie darum kürzlich hierher verbannte. Ehrlich gesagt, mir gefallen sie auch nicht, zumal ich dem Verlust der dritten Statuette, welche den Wert der ganzen Gruppe noch beträchtlich erhöhen würde, meinen bösen Unfall verdanke.«
»Könnten Sie sich einmal bereit finden, Herr Professor, mir diese Götzenbilder zu erklären? Jeder hat etwas anderes in den angedeuteten Händen, der eine Götze blickt nach oben, der andere nach unten. Was tat denn nun der dritte?«
»Reizen Sie mich nicht, Ihnen einen Vortrag zu halten, Kuno! Ich doziere für mein Leben gern. Darum freue ich mich ja auch so auf meine Arbeit, die mir nun durch das heutige Engagement von Fräulein Horn erfreulich näher kommt. Heute ist es schon recht spät, aber wenn es einmal abends paßt, halte ich Ihnen gern eine Privatvorlesung. Welcher Mann übrigens doziert nicht gern? Wir sind doch alle Besserwisser«, schloß er mit leiser Selbstverspottung.
»Dies aber doch nicht im abträglichen Sinne vermerkt«, erlaubte sich Kuno, der gerade die Schuhe Achims sorglich auf die Strecker spannte, lächelnd zu bemerken.
»Nein, schlechter als wir so schon sind, wollen wir uns nun auch nicht machen. Meine Schwester hielt Michel Brunnig und mir erst heute abend einen Vortrag, wie egoistisch wir Männer seien, weil wir ihr die letzte Mandelschokolade weggefuttert hatten.« Sofort merkte sich Kuno, daß sie, die er am Nachmittag leider nur für einen jammervoll kurzen Augenblick an seinem Herzen gehalten hatte, einen Hang zu Mandelschokolade hatte, und beschloß, sich von Gertraude einen Vorrat davon mitbringen zu lassen. Konnte man wissen, wie so etwas mal gebraucht wurde?
»Meine Schwester, die noch in München lebt, macht auch oft solche herzlosen Bemerkungen, da ich die Gewohnheit habe, mir im Radio ständig die Sportnachrichten anzuhören, was sie zur Verzweiflung bringt.«
»Also trösten wir uns beide, daß unsere Schwestern kein Herz für uns haben. Ist Ihre Schwester beruflich tätig in München?«
»Bisher in einem Büro, Herr Professor.« Gottlob, Kuno konnte blendend-weiße Wahrheit sagen.
»München ist ja nicht weit von hier, so daß Sie sicherlich öfter Gelegenheit haben werden, Ihre Schwester zu sehen. So, Kuno, ich glaube, nun kann man mich Wickelkind getrost allein lassen. Ich lese noch, rauche meine letzte Zigarette und gehe dann zu Bett. Danke Ihnen.«
»Sehr wohl, Herr Professor. Wecken morgen früh wie gewöhnlich?«
»Sonntag? Sollte man da nicht eine halbe Stunde länger schlafen?«
»Wie Herr Professor wünschen. Ich bringe jetzt noch die Schuhe von Herrn Brunnig nach oben. Wäre noch etwas auszurichten?«
»Ausgezeichnet - sagen Sie meinem Freund, er möge mir das Abendblatt aufheben wegen des Artikels über Mexiko.«
»Werde es bestellen, wenn Herr Brunnig noch munter sein sollte.« Damit verließ Kuno das Appartement Achims - einst das seines Vaters, wenn er wirklich einmal im Torhaus Gleichen gewesen war. Er selbst hauste damals, als er noch ein Recht hatte hier zu sein, sehr viel lieber oben im Turmzimmer, in dem jetzt Michel Brunnig herumbrummte. Nur im harten Winter mußte Kuno auswandern, da der Turm nicht heizbar war.
Mandelschokolade, Götzenbilder, Komplex Schwestern, geputzte Schuhe und Mexiko - dies alles lief ihm im Kopf herum, als er, Michels nicht eben hochelegante Schuhe in den Händen, nach oben stieg. Einen Blick, einen langen, von klaftertiefem Seufzer begleiteten Blick warf er in Richtung nach Marys Schlafzimmer. Nun ja, und was sollten der Blick und der Seufzer? Hier war er Kammerdiener und nichts anderes.
Ehe er am Turmzimmer anklopfte, lauschte er und hörte, daß Michel drinnen vor sich hinsummte. Und was summte Michel?
Es war nicht zu glauben - er summte eine Wagnermelodie, und zwar ausgerechnet Walter Stolzings Preislied »Morgendlich leuchtend -« und so weiter.
Na, der sollte lieber die Beckmesser-Arie brummen, der alte Rübezahl! Uijeh, wenn das Tante wüßte! Ihr Feind summte Wagnermusik! Er klopfte an, und als es von drinnen tönte: »Wer stört mich da?« meldete er sich: »Hier ist der Kammerdiener. Ich bringe Ihre Schuhe, Herr
Weitere Kostenlose Bücher