Kammerflimmern
Gesicht.
»Och nö, Paul. Das kann ich nicht so gut, das weißt du doch. Ich bring dich zum Klinikum, steig in mein Auto und fahr zum Präsidium. Du machst das doch mit der Routine des alten Kriminalers.«
Lenz wollte widersprechen, überlegte es sich aber anders, weil ihm in diesem Moment einfiel, dass er noch kein Auto bei der Carsharing-Agentur für die Fahrt nach Fritzlar und das Treffen mit Maria reserviert hatte.
»Schon in Ordnung. Blöderweise stehen wir jetzt wieder ganz am Anfang im Fall Goldberg. Und haben einen weiteren dazubekommen.«
Er dachte einen Moment nach.
»Ich stelle mir gerade vor, wie sich das alles praktisch abgespielt haben soll. Man verabredet sich zu einem vertraulichen Tête-à-Tête im Reinhardswald, aber zwei dürfen nicht wieder mit nach Hause? Patzke hatte einen dicken Hals wegen Goldberg, weil der ihn angeblich in die Pleite geschickt hatte, da trifft er sich doch nicht mit ihm hier draußen. Und wer hat das Loch gegraben, in dem Patzke verscharrt wurde? Goldberg?«
Hain grinste.
»Aber mit den bloßen Händen, dann hätten wir wenigstens eine Erklärung dafür, warum die so dreckig waren.«
»Und Patzke scheint freiwillig mitgefahren zu sein, weil er ja nicht gefesselt war, ganz im Gegensatz zu Goldberg, bei dem der Doc Fesselspuren gefunden hat.«
13
Carola Patzke weinte nicht, sie schluchzte nicht und sie schrie auch nicht, als Lenz ihr von dem Mord an ihrem Mann berichtete. Sie saß mit ihrem verbundenen Kopf auf dem frisch bezogenen Krankenhausbett, ließ die Beine baumeln und starrte die Wand an. Eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten. Der Kommissar fühlte sich zunehmend unwohl und hatte keine Ahnung, was er sagen sollte, aber einfach davonstehlen wollte er sich auch nicht. Also starrte er die gleiche Wand an.
»Es wär’ ja auch zu schön gewesen«, sagte sie irgendwann in die Stille.
»Was?«
»Ich hab schon befürchtet, dass ihm was passiert ist, weil untertauchen war noch nie seine große Stärke.«
Sie drehte den Kopf und sah Lenz mit einem unendlich traurigen Blick an.
»Der kriegte ja schon Heimweh nach mir, wenn er sich nur ’ne Nacht mit ’nem anderen Frauenzimmer gegönnt hatte. Und dann gleich vier Tage? Nee, nich mein Siggi. Aber es wär’ halt schön gewesen, wenn ich mich getäuscht hätte.«
»Ja«, bestätigte Lenz mehr aus Höflichkeit, »schön wäre es sicher gewesen.«
»Mit der anderen Sache, also dem Mord, hat er nichts zu tun gehabt, was meinen Sie?«
»Dem Mord an Goldberg?«
»Hmm.«
»Wissen wir noch nicht, aber eher nicht. Ihr Mann dürfte vor ihm gestorben sein.«
Sie schüttelte verständnislos den Kopf.
»Und das alles wegen der blöden Sache mit den Abgasen.«
Lenz hatte keine Idee, wovon sie sprach.
»Welche Abgase?«
»Na, die Sache mit Goldberg ging doch los, als Siggi nich ordentlich die Abgase bei den Autos dazugeschrieben hatte.«
»Sie meinen die Schadstoffwerte?«
»Von mir aus. Jetzt ist er tot, und der Goldberg ist auch tot, und beide sind umgebracht worden. Das ist mir zu hoch.«
»Ich verstehe auch noch nicht, wie das alles zusammenpasst. Und dass es dabei nur um diese Strafe gehen soll, die Ihr Mann aufgebrummt bekommen hat, glaube ich nicht.«
»Aber Siggi kannte doch den Typen von der IHK vorher gar nicht. Er ist nur zu ihm hin, weil er was wissen wollte über diese …«
Sie stockte und suchte nach dem passenden Wort.
»Schadstoffwerte?«, half ihr der Kommissar.
»Schadstoffwerte, genau, und was er machen muss, damit es keinen Ärger gibt. Der Rechtsverdreher hat ihm Mist erzählt, und das war’s dann.«
In diesem Moment wurde die Frau doch von so etwas wie sichtbarer Trauer erfasst. Sie zog die Nase hoch und hinderte sich damit am Weinen. Lenz ging vorsichtig auf sie zu und hielt ihr ein Papiertaschentuch hin.
»Nee«, sagte sie, »geht schon.«
»Wie lange müssen Sie denn hierbleiben?«, wollte der Kommissar wissen.
»Der Doktor sagt, mindestens eine Woche, weil mein Jochbein gebrochen ist. Dann kann ich nach Hause.«
»War schon jemand bei Ihnen wegen der Zeichnungen?«
»Bis jetzt nich. Aber es kommt bestimmt noch einer, oder?«
»Sicher.«
Der Polizist setzte sich auf das Bett gegenüber.
»Ich würde gerne bei Ihnen bleiben, habe jedoch leider noch einen Termin außerhalb. Kann ich trotzdem irgendwas für Sie tun?«
Sie sah ihm in die Augen.
»Finden Sie den Kerl, der Siggi umgebracht hat. Mehr verlang ich nich.«
»Ich tue mein Bestes, das verspreche ich
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