Kammerflimmern

die notwendigen Befehle erteilt.
    Der Nettogewinn, nach Abzug der Prämie und der anderen Unkosten, belief sich auf über 230 Millionen Dollar. Er konnte 110 Millionen Schulden zurückzahlen, konnte Suzanne mit 70 Millionen und dem Grundbesitz in Villefranche auszahlen, auf die sie nach der verdammten Abmachung Anspruch hatte, und würde dann immer noch über fünfzig Millionen Dollar besitzen.
    Und schuldenfrei sein, dachte er und lächelte seine Tischdame an, ehe er ihr ein Kompliment für ihre elegante Frisur machte. Mercury Medical hatte Probleme, aber mit harter Arbeit würde er die Firma im Laufe eines Jahres wieder hochbringen. Dass die Firma 2010 als schlechtestes Jahr ihrer Geschichte verbuchen würde, musste er hinnehmen.
    In vieler Hinsicht freute er sich auf diese Herausforderung. Bisher hatte er immer Rückenwind gehabt. Das hier konnte für ihn ein neuer Frühling werden, ein neuer Anfang, persönlich und beruflich.
    Als die Kellner Weißwein eingeschenkt und die Vorspeise zu jedem Platz gebracht hatten, klopfte Otto Schultz energisch mit dem Messer an sein Glas, während er sich erhob. Obwohl die Art von Rede, die er sonst bei solchen Gelegenheiten hielt, mit leicht selbstironischem Prahlen und einer Huldigung an seine Gesellschaft jetzt nicht so ganz am Platze war, wollte er doch willkommen heißen.
    Sofort verstummten die Gespräche an den Tischen rundum.
    Alle sahen ihn an.
    Wie sie ihn immer ansahen, dachte er.
    Etwas geschah hinten an den Türen. Die wurden geöffnet, wie er nun sah. Unruhe breitete sich an den Tischen aus. Zuerst Getuschel, dann leises Gerede, das lauter wurde, als vier dunkel gekleidete Männer den Saal durchquerten, zwei auf jeder Seite der symmetrisch platzierten Tische.
    Und sie sahen ihn an, registrierte Otto Schultz.
    Immer sahen alle ihn an. Auch diese Männer mit den ausdruckslosen Gesichtern, die immer näher kamen. Sie waren nicht für den Anlass gekleidet, im Gegenteil, zwei von ihnen trugen ihre kurzen Windjacken offen.
    Otto Schultz schluckte.
    Als die Männer so nahe gekommen waren, dass Otto Schultz die gelben Initialen auf ihrer linken Brusttasche lesen konnte, hörte er auf zu atmen, so kam es ihm vor, er schien nicht mehr zu existieren. Sein Körper kam ihm leicht und weit weg vor, und sein Herz war stehen geblieben, er konnte beschwören, dass es stehen geblieben war, es hatte einen oder zwei Schläge ausgesetzt, und er bat sein Herz, für immer aufzuhören, er befahl seinem Herzen, nicht mehr zu schlagen.
    Es gehorchte nicht.
    »Otto Schultz?«
    Der Älteste der dunkel gekleideten Männer sah ihn an.
    Er nickte kurz.
    »You’re under arrest for ...«
    Mehr hörte Otto Schultz nicht. Alle Geräusche und alle Gefühle wurden vom Schlagen seines unerbittlichen Herzens übertönt.

Mittwoch, 19. Mai 2010
21.30 Uhr
Båtstøjordet, Høvik, Bærum
     
    »Worüber hast du geredet?«, fragte Ola Farmen lachend und hob sein Champagnerglas. »Stimmt das? Dreitausend Zuhörer?«
    »Ja«, sagte Sara und schüttelte den Kopf. »Zuerst mussten sie in einen viel größeren Raum überwechseln. Dann war auch dieser Saal überfüllt, und die Veranstalter haben mir erzählt, sie hätten noch doppelt so viele reinlassen können, wenn Platz gewesen wäre. Mein Vortrag hieß Inappropriate and appropriate shocks of modern ICDs. «
    Ola lachte so sehr, dass er sich am Champagner verschluckte. »Sechstausend Menschen wollten dich darüber reden hören?«
    »Ja! Es war aber auch ein Vortrag von seltener Qualität. Es war so ein Erfolg, dass ich ihn am Sonntag noch einmal halten musste, statt über Vorhofflimmern zu sprechen, was ich eigentlich vorhatte.«
    Jetzt lachte sie leise und zufrieden.
    »Nichts fördert das Interesse der Leute so sehr, als wenn die Vortragende unmittelbar vorher ein Killervirus entdeckt und eine der größten Firmen der Welt in die Knie zwingt!«
    »Stell dir vor, das wäre heute gewesen!«
    Ola riss die Augen auf. »Am Samstag und Sonntag war die Reichweite deiner Entdeckungen doch noch nicht bekannt. Otto Schultz war noch nicht festgenommen worden, und diese Viren in Afrika und Asien waren noch nicht bekannt.«
    »Heute könnte ich das Mile High Stadium füllen«, sagte Sara zufrieden.
    »Aber es gibt immer noch vieles, was ich nicht begreife«, sagte Ola. »Otto Schultz wird also Insiderhandel vorgeworfen. Die Ermittlungen haben ergeben, dass er von der Existenz des Virus wusste und dass er diese Wette eingegangen ist, die sie uns jetzt seit gestern in