Kammerflimmern
sein Jackett ablegte. »Und in diesen Jahren ist nichts passiert, was auf dieses ... dieses Programm zurückgeführt werden könnte, rein gar nichts. Nichts!«
Das letzte Wort betonte er durch einen Fausthieb auf den Tisch.
»Wir brauchen nicht weiter dran zu denken!«
»Otto, das verschwindet nicht von selbst.«
Peter Adams leerte das Glas Cola light, das ihm bei seinem Kommen angeboten worden war, erhob sich mit steifen Bewegungen und ging zu Otto Schultzens Schreibtisch. Der Konzernleiter hatte sich von ihm abgewandt und starrte aus dem Fenster. Unter den Armen zeichnete der Schweiß dunkle Ringe in das eisblaue Hemd.
»David Crow hat ein Mordprogramm entwickelt«, sagte Peter leise.
»Sei still!«
»Und in dieses Programm hat er Algorithmen eingearbeitet, die sich zeitlich einstellen lassen«, sagte Peter, als ob er ihn nicht gehört hätte. »Im Stick war die Zeit auf dreißig Sekunden programmiert. Das lässt sich einfach verändern. Ich habe es mit zwei Minuten versucht, mit einer Stunde, mit anderthalb. Ich vermute, man kann das nach Belieben einstellen. Eine Woche zum Beispiel. Man lädt das Programm in einen Mercury Deimos runter. Die Kryptierung und alle anderen Codes stimmen. Deshalb wird es vom ICD akzeptiert. Nach einer Woche bringt es seinen Träger um. Außerdem muss ich hinzufügen, dass dieses Programm noch andere unheimliche Eigenschaften hat«, sagte er und versuchte, seine Tränen wegzublinzeln. »Ich kenne mich nicht mehr gut genug damit aus. Wir müssen unsere allerbesten Leute hinzuziehen.«
»Wie zum Teufel ...«, begann Otto Schultz, dann fuhr er herum und breitete die Arme aus. »Wie zum Henker konnte so ein Kerl als sicher deklariert werden? Was? Ein Kokainwrack! Ein spielsüchtiges Wunderkind, das die Damen so plump angrabscht, dass wir Gott weiß wie viele Millionen hinblättern mussten, um hinter ihm den Dreck wegzuräumen?«
Peter sagte nichts.
Ihm war schwindlig und heiß, und er hätte vor Müdigkeit umfallen können.
»Ist dir überhaupt klar«, rief Otto, »ist dir klar, was so etwas ... was passiert, wenn ...«
»Ja. Der Aktienkurs wird einbrechen. Aber uns bleibt keine Wahl, Otto. Wir müssen jeden einzelnen Patienten warnen und untersuchen, der ...«
»Der Aktienkurs«, brüllte Otto Schultz, packte die Tischkante und beugte sich vor. »Der Aktienkurs ist das eine und schlimm genug. Mehr als schlimm genug. Aber überleg doch, was es kosten wird, jeden einzelnen verdammten Patienten noch einmal zu behandeln. Sie aus aller Welt von Gott weiß woher zu holen, sie in teure Krankenhäuser zu legen und ... Und hast du dir überlegt, was das für den Ruf der Firma bedeutet? Für die Zukunft! Für unsere ganze Existenz! Wir sind ... wir sind ...«
Mercury Medical war so viel, dass er offenbar nicht wusste, wo er anfangen sollte.
»... Wir sind seit der Fusion jeden Tag gewachsen«, fauchte er. »An jedem Scheißtag sind wir stärker, größer und besser geworden und haben mehr Geld verdient. Mercury Medical ist zuverlässig. Schluss, aus! Wir verkaufen Perfektion! Wir sind die Sicherheitsbranche, Peter! Wir verkaufen Sicherheit und Leben und Vertrauen, verdammte Pest!«
Er ließ den Tisch los und verschlang hinter seinem Nacken die Finger ineinander. Die Schweißflecken waren jetzt so groß wie Wassermelonen. Er atmete schnell und angestrengt. »Kannst du mir sagen, wie hundert von den cleversten Gehirnen des Landes einen Herzstarter entwickeln konnten, aus dem ein Kokainwrack danach ganz einfach eine ... eine ...«
»Mordmaschine macht.«
»Shit, Shit, Shit!«
»Wir müssen ein neues Programm entwickeln«, sagte Peter. »Und zwar schnell. Ein Programm, das den Deimos daran hindert, das ktmf-Programm zu akzeptieren. Dann muss jeder Patient auf der Welt mit einem implantierten Deimos zur Nachbesserung geholt werden. Außerdem muss die gesamte Produktion des Deimos angehalten werden, die Kryptierungen müssen verändert werden, und wir müssen alle nichtimplantierten zerstören oder bestenfalls umprogrammieren.«
Otto Schultz stemmte die Ellbogen auf den Tisch und schlug die Hände vors Gesicht.
Peter ging langsam zu seinem Sessel zurück. Er hatte nie begriffen, warum der niedrige Besuchersessel so weit von dem riesigen Schreibtisch entfernt stand. Erst jetzt wurde ihm klar, dass das der Sinn der Sache war. Otto selbst wurde noch größer hinter dem fast drei Meter breiten Tisch, wo er in einem so großen und hohen Sessel saß, dass der an einen Thron
Weitere Kostenlose Bücher