Kammerflimmern
Ola und Guro gewesen und hatte darüber gestaunt, dass jemand Gäste in ein Haus einlud, wo man über Spielzeug stolperte und auf der Toilettenschüssel die Abdrücke schmutziger Kinderfüße fand. An diesem Morgen schlug das Chaos jedoch alle Rekorde. Als Sara durch die Tür ging, kamen die Zwillinge mit etwas an den Fingern auf sie zugestürzt, das aussah wie Exkremente, während Sara ein blitzschnelles Stoßgebet losließ, es möge doch Schokolade sein. Tobias blieb stehen und klatschte beide Handflächen gegen die weiße Wand. Auf dem Boden lagen ein Skateboard, ein Haufen Turnschuhe und ein prall gefüllter schwarzer Müllsack, der mit einem doppelten Knoten zugebunden war. Jemand hatte zudem ein knallbuntes Springseil von der Klinke der Küchentür bis zu einem Schubladengriff auf der anderen Seite der Diele gespannt.
»Maut«, verlangte Tara und streckte die klebrige Hand aus.
»Ihr zwei«, sagte Ola streng, ehe Sara fragen konnte, wie viel der Zutritt kosten solle. »Jetzt kommt her und wascht euch. Sofort!«
Er packte mit der einen Hand den Oberarm seiner Tochter, mit der anderen den seines Sohnes und schleppte beide Kinder die Treppe in den ersten Stock hoch.
»Zwei Minuten«, rief er Sara zu. »Gib mir zwei Minuten! Geh schon mal in den Keller.«
Sara schaute das Sperrseil unschlüssig an.
»Hallo«, sagte Guro, die aus dem Wohnzimmer aufgetaucht war. »Entschuldige das Chaos. Du weißt ja, wie das ist.«
Sara nickte zustimmend.
Sie wusste durchaus nicht, wie das war. Sie lebte mit einem Kind zusammen, das noch pingeliger war als sie selbst.
»Kaffee?«, fragte Guro und band das Springseil von der Küchentür.
»Nein danke. Hab eben erst gefrühstückt.«
»Ihr habt wohl ein beachtliches Problem, wenn ich das richtig verstanden habe.«
Sara lächelte und hoffte, damit nichts zu bestätigen oder abzustreiten. Ola konnte Guro unmöglich erzählt haben, was sie festgestellt hatten. Sie hatte ihm streng befohlen, den Mund zu halten.
»Wir haben alle unsere Probleme«, sagte sie leichthin. »Ola meint übrigens, ich solle in den Keller gehen. Er will mir etwas zeigen ... etwas Technisches, was ich nicht so ganz verstehe.«
Guro sah sie so an, wie es nur wenige Menschen wagten. Immer war es Sara, die andere die Blicke senken ließ. Guro war Psychiaterin und arbeitete halbtags an der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Poliklinik. Damit stand sie tief unten auf Saras Rangleiter. Trotzdem hatte diese kleine, runde Gestalt eine Stärke, die Sara leicht verunsichern konnte.
Wie jetzt.
Guro lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte die Arme über der Brust. »Ich dachte, du bist die Mentorin, und Ola ist dein Protegé«, sagte sie. »Aber so kann man sich irren. Passt nur auf, dass ihr euch die Sache nicht gegenseitig schwer macht.«
»Hallo«, sagte Ola atemlos und brachte die letzten drei Treppenstufen mit einem Sprung hinter sich. »Tut mir leid, dass du warten musstest. Aber die Kinder haben Muffins gebacken. Komm, wir gehen runter.«
Sara folgte ihm eine steile Kellertreppe hinunter. Unten angekommen, machte er sich an einem rostigen Hängeschloss an einer Tür zu schaffen.
»Hier muss man überall abschließen«, sagte er verbissen. »Wenn nicht alles innerhalb von zehn Minuten ruiniert sein soll.«
Endlich klickte das Schloss. Ola zog den Metallbügel heraus und öffnete die Tür. »Nach dir«, sagte er, und Sara betrat den kleinen Kellerraum.
Der konnte kaum mehr als acht Quadratmeter groß sein. Es war schwer abzuschätzen, denn alle Wände waren vom Boden bis zur Decke mit Ikea-Regalen bedeckt. Die wiederum waren dermaßen mit elektronischen Geräten vollgestopft, dass der prägnante Geruch von Metall und verbranntem Staub Sara zum Niesen brachte. In diesem Chaos gab es eine Art Systematik, wie Sara nun bemerkte. In den Regalen neben der Tür standen mindestens zehn Verstärker unterschiedlicher Typen und Jahrgänge. Darunter sah sie drei Oszilloskope neben einer sinnreich konstruierten Box aus durchsichtigem Kunststoff mit so vielen verschiedenen Platinen, dass sie sich fragte, was er mit denen allen vorhatte.
In den untersten Regalfächern, gleich über dem Boden, standen dicht an dicht Rechner. Einige neue, einige, die vom Anbeginn der Zeiten stammen mussten. Also von rund 1980, dachte sie und musste lächeln, als sie einen Commodore 64 in scheinbar perfektem Zustand sah.
Das größte Oszilloskop erkannte sie als das Modell, das auch im Krankenhaus benutzt wurde.
»Ola«,
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