Kammerflimmern
getrunken, während der Abend draußen dunkler wurde und das Zimmer in der tristen Kellerwohnung immer kleiner wirkte.
Nur um aus diesem Drecksloch herauszukommen, hatte er zugestimmt.
Die Kinder wollten ja nicht herkommen.
Er sah sie, sooft er konnte, aber es machte ihn fertig, sich immer etwas ausdenken zu müssen. Kino jeden Freitag und Vergnügungspark drei Samstage hintereinander, mit Holen und Bringen morgens und abends, weil sie bei ihm nicht schlafen wollten, war etwas, worauf er sich nicht mehr freute. Er wohnte auch nur hier und nicht in Asker oder in Bærum, weil das Haus der Mutter eines Kollegen gehörte. Sie ließ ihn fast umsonst wohnen, wenn er den Rasen mähte und die Katze fütterte, wenn sie nach Spanien reiste.
Das tat sie sehr oft, und das machte das Haus auch nicht gemütlicher.
Er hasste seine ganze Situation und war wütend auf Ingunn, die ihn mithilfe ihrer Eltern aus ihrem mit Darlehen belasteten Haus ausbezahlt hatte. Widerwillig hatte Sverre Bakken zugeben müssen, dass sie sich in finanzieller Hinsicht fair benahm. Drei unabhängige Experten hatten den Wert des Hauses in Asker im Durchschnitt auf 6,9 Millionen Kronen taxiert. Da die Schulden sich auf fast vier beliefen, wurde er mit anderthalb Millionen abgespeist, als er endlich einsehen musste, dass er nie im Leben das Darlehen abtragen und zugleich das Haus behalten könnte. Ingunn war Anwältin, verdiente dreimal so viel wie er und hatte außerdem wohlhabende Eltern, die ihren Exschwiegersohn verabscheuten.
Die Kinder waren zwölf und vierzehn Jahre alt und wollten bei der Mutter bleiben.
Sverres Geld war fast aufgebraucht, als er einige unangenehme Schulden bezahlt hatte, von denen Ingunn nichts wusste, und als die letzten Raten für das Auto erledigt waren. Er hätte es natürlich verkaufen müssen, ein Audi TT passte nicht zu seiner Finanzlage, aber so viel hätte er auch nicht dafür bekommen, der Wagen war schon fünf Jahre alt.
Sverre Bakken brauchte so verzweifelt Geld, dass er sich auf fast alles eingelassen hätte. Aber nicht auf den Tod eines Patienten.
Er hätte fragen müssen. Er hatte ja gefragt, hatte sich aber idiotischerweise mit unvollständigen Antworten zufriedengegeben.
Trotzdem hatte er nicht geglaubt, dass jemand sterben würde.
In aller Frühe am Donnerstagmorgen hatte er vor dem GRUS gehalten. Er sollte drei neue ICDs abliefern und zugleich Petter Bråten einige Geräte leihen, denn der würde auf Rechnung von Mercury Medical in Kopenhagen einen Workshop abhalten. Es würde nicht lange dauern, aber als er aus dem Auto stieg, sah er Erik Berntsen.
Erik Berntsen müsste es doch zu schlecht gehen, um draußen herumzulaufen.
Es sollte ihm doch schlecht gehen, dachte Sverre Bakken verwundert. So schlecht, dass ihm ein anderer ICD eingesetzt werden müsste.
Von einem anderen Fabrikat.
St. Jude vielleicht. Oder Boston Scientific. Erik Berntsen sollte noch bettlägerig und fast bereit für eine Reimplantation sein.
Aber jetzt stand der Mann hier, zusammen mit einem viel jüngeren Kerl, der etwas schwenkte, das aussah wie ein Flugticket, und der frisch operierte Patient sah unverschämt gesund aus.
So sollte es nicht sein.
Nichts war so, wie es sein sollte, und ein entsetzliches Telefongespräch später wusste Sverre Bakken, woran er da mitgewirkt hatte, als er drei Tage zuvor ein kleines Programm in eine der drei Programmiermaschinen herunterlud, die das GRUS von Mercury Medical bekommen hatte.
Er hatte in dem strahlenden Sonnenlicht gefroren. Hatte mit den Zähnen geklappert, und ihm waren die Autoschlüssel aus der Hand gefallen, als er versucht hatte zu tun, was ihm befohlen worden war.
Nach Erik Berntsens Tod musste der ICD Sara Zuckerman in die Hände gespielt werden, so hatte der Befehl gelautet. Der Patient sollte in weniger als einer Dreiviertelstunde einem Infarkt erliegen, aber jetzt fuhr er in einem klapprigen roten Kia weg, zusammen mit einem Mann, der ein Flugticket geschwenkt hatte.
Sverre Bakken tat, wie ihm geheißen.
Die Stimme am Telefon hatte damit gedroht, was auf der Hand lag: Er, Sverre Bakken, hatte den ICD eines Mannes manipuliert, der nicht ahnte, dass ihm weniger als eine Stunde zu leben blieb. Die Sache würde an ihm hängen bleiben.
Er hatte sich wie ein Roboter gefühlt. Wie ein ferngesteuerter Mechanismus, eine künstliche Intelligenz, die genau das tat, wozu sie programmiert war. Die Angst davor, was er getan hatte, die Wut, weil er betrogen worden war, die
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