Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
Um Ihrer
Frage zuvorzukommen: Mein Münchner Freund hat bis heute keine Ahnung davon, dass
Welders ein Nazi ist. Und ich habe nicht die Absicht, es ihm mitzuteilen.
Detektiv: Also
haben Sie Welders anfangs selbst ein wenig beschattet. Genug, um von seinen rechten
Aktivitäten zu erfahren. Dann haben Sie ihn aus den Augen verloren und mich konsultiert.
Fliedmann kann sich glücklich schätzen, einen so engagierten Freund zu haben.
Klient: Ich
gebe zu, ab einem gewissen Zeitpunkt kam so etwas wie professionelles Interesse
ins Spiel. Eine so unglaubliche Geschichte auf dem Silbertablett serviert zu bekommen
…
Detektiv: Sie
wollen die Story in einem Roman verarbeiten?
Klient: Natürlich
nicht eins zu eins. Ich werde die Protagonisten austauschen, Schauplätze verlagern,
etwas dramatisieren und zuspitzen, klassisches Autorenhandwerk. Aber wem erzähle
ich das?
Detektiv: Jetzt
verstehe ich auch, warum Sie solche Angst vor der Begegnung mit Welders’ Mutter
hatten. Sie leben von Ihren Einkünften als Autor?
Klient: Ja –
und nicht schlecht. Höre ich da etwas Neid in Ihrer Stimme, Mr. Rockwell?
Detektiv: Woher
denn. Aber Sie mussten doch damit rechnen, dass ich Ihr Gesicht erkenne! Wenn Sie
tatsächlich so erfolgreich sind, dann haben Sie sicher schon das eine oder andere
Interview gegeben – Presse, Fernsehen oder so.
Klient: Das
war unwahrscheinlich. Ich schreibe wie Sie unter Pseudonym und habe meinen Kopf
seit Anfang meiner Karriere konsequent von jeder Kameralinse ferngehalten.
Detektiv: Hmm,
jetzt leuchtet mir auch Ihr kreativer Input für mein Manuskript ein. Überhaupt Ihr
Faible für fiktionale Stoffe. Ich muss gestehen: Jetzt, wo Sie sich als erfolgreicher
Autor geoutet haben, ist mir Ihr Urteil über mein Manuskript natürlich noch wichtiger.
Ich wage kaum zu fragen, aber ich arbeite gerade an einer Schlüsselstelle meines
neuen Romans und wäre wahnsinnig neugierig auf Ihr Urteil. Darf ich Ihnen vielleicht
eine kurze Passage vorlesen?
Klient: Natürlich!
Ich brenne darauf, lassen Sie hören!
Detektiv: Also,
die Szene spielt in der Chefetage der HeinerChem Industries, zwei Personen sind
anwesend: Olivia Spirelli und der Vorstandsvorsitzende Earl Grey. Die Spirelli versucht,
Earl Grey ein Geständnis abzuringen bezüglich der giftigen Abwässer im Woog. Was
Grey nicht weiß: Olivia ist verdrahtet, draußen im CTU-Einsatzwagen sitzt Vince
Stark und schneidet das Gespräch mit.
Klient: Ah –
ein Klassiker. Das abgehörte Dialogduell zum Finale. Schießen Sie los!
Detektiv: Dann
mal los:
Spirelli: Grey,
Sie sind verantwortlich für die Abwässer im Woog. Sie hätten die Killerbestie stoppen
können. Aber alles, was für Sie zählte, war das blütenweiße Image der HeinerChem
Industries. Wir haben Beweise, diesmal kommen Sie nicht davon.
Grey: Ah, diese
Jugend, dieses Feuer, diese Leidenschaft. Ich liebe es, wenn schöne, junge Menschen
für eine Idee brennen. Auch wenn es, wie in Ihrem Fall, die falsche ist, meine liebe
Olivia. Warum vergessen Sie nicht Ihre albernen Anschuldigungen und fangen morgen
hier bei HeinerChem an. Bei uns bringen Sie es in einem Jahr weiter als in zehn
Jahren an dieser Universität. Sie haben ein spezielles wissenschaftliches Steckenpferd,
an dem Sie gerne arbeiten möchten? Ich richte Ihnen ein eigenes Labor ein. Ihr Budget
an der Uni reicht Ihnen hinten und vorne nicht? Hier bei mir arbeiten Sie mit Mastercard
ohne Limit. Ich habe ein Gespür für Talent – und Sie haben Talent.
Spirelli: Glauben
Sie wirklich, ich lasse mich von Ihnen bestechen? Sie haben vielleicht den Oberbürgermeister
auf Ihrer Gehaltsliste – mich niemals.
Grey: Sagen
Sie, Olivia: Dieser Geheimdienstmann, der mit Ihnen zusammenarbeitet, dieser Vince
Stark, macht er Ihnen Avancen? Sie brauchen nichts zu sagen, natürlich tut er das.
Sie sind hinreißend, er ist ein Mann und nicht blind. Aber er spielt nicht in Ihrer
Liga. Sicher, er hat straffere Bauchmuskeln als ich und kann wahrscheinlich schneller
rennen, aber Sie sind eine Frau mit Stil und Klasse, und er ist nichts weiter als
ein tumber Leibwächter, der in ein paar Jahren als Ladendetektiv in einem Baumarkt
landen wird. Verkaufen Sie sich nicht unter Wert, Olivia.
Spirelli: Ich
gehe Ihren billigen Komplimenten nicht auf den Leim, Earl Grey. Sie haben unschuldige
Menschen auf dem Gewissen. Und dafür werden Sie bezahlen.
Grey: Ich hätte
viel mehr Menschen auf
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