Kampf Dem Chaos
aufgegessen.
Später las ich noch einmal den fertigen Brief. Schon die Entscheidung, dass ich schrieb, war nicht leicht gewesen, auch die Worte brachte ich nicht so einfach aufs Papier, aber meine Eltern sollten wissen, dass es mir gut ging – zumindest verhältnismäßig gut. Ich überflog noch einmal den Text.
... bedauere, dass ich so lange nicht geschrieben habe ... hoffe, euch geht es gut ... eine Zeit als Lehrling bei deinem Bruder Justen ... Onkel Sardit wird sich freuen zu hören, dass ich wieder schreinere ... ein Jahr als Geselle in Fenard ... habe jetzt eine kleine Werkstatt in Kyphrien ... suche einen Lehrling ... da wird Onkel Sardit lachen ...
... mit Krystal aus Extina ... fange langsam an, die Liebe zu verstehen ... sie ist Kommandantin der Truppe des Autarchen ... teilen uns ein Zuhause, wenn sie nicht gerade Feldzüge plant oder ausführt ... sogar gelernt, ein Bergpferd namens Gairloch zu reiten ...
... hatte einige Abenteuer mit verschiedenen Weißen Magiern zu bestehen ... erhole mich gerade von den Verletzungen ... und konzentriere mich jetzt wieder auf die Schreinerarbeit ...
... glaube nun nicht mehr, dass Ordnung immer langweilig sein muss ... aber dass es viel gefährlicher ist, den jungen Menschen nicht zu erklären, was Ordnung ist und was sie bedeutet ... ihnen zu sagen, dass Ordnung wichtig ist, erscheint mir sinnlos, wenn nicht erklärt wird, warum – und in Recluce herrscht so viel Ordnung, dass die Gefahren nicht offensichtlich sind ...
Ich wusste nicht, ob alles stimmte, was ich über Ordnung geschrieben hatte, aber der Grundgedanke war ohne Zweifel richtig. ›Weil das eben so ist‹ war keine Antwort, die ein junger Mensch einfach akzeptieren konnte. Menschen wie mein Vater oder Justen, die über einen großen Erfahrungsschatz verfügten, sahen manches in der Welt, was wir Übrigen nicht sehen konnten. »Gibt bald Abendessen, Meister Lerris.« Ich beherzte den Hinweis und faltete den Brief. Dann ging ich in die Werkstatt, brachte mein Siegel darauf an und legte den Brief in die Mappe zu den anderen Papieren. Wer hätte gedacht, dass ein Schreiner Stapel von Papier horten musste?
Ich überlegte. Am kommenden Tag würde ich nach Kyphrien reiten und mich um die Versendung des Briefes nach Recluce kümmern. Vielleicht konnte einer der Wollhändler – zum Beispiel Clayda – ihn mitnehmen.
Ich sah nach dem Wassertopf und legte noch ein Holzscheit aufs Werkstattfeuer, bevor ich in den Waschraum ging.
XLVI
W ie üblich brauchte ich auch für Werfels Schreibtisch länger als geplant. Dieses Mal war es wieder der Leim, den ich vernachlässigt hatte und neu anrühren musste. Das Problem mit dem Leim lag darin, dass er zu schnell hart wurde, meistens schon bevor ich die Zutaten fertig hatte. Ich zerstieß und zerkleinerte gerade die Leimklumpen im heißen Wasserbad, als es an die Werkstatttür klopfte.
Drei Menschen standen draußen – Rissa, eine fremde Frau und ein schwarzhaariger Junge; vermutlich handelte es sich hier um die erste Reaktion auf Rissas Bemühungen, ganz Kyphros darüber zu informieren, dass ich einen Lehrling suchte.
Mein Bein schmerzte zwar nicht mehr, wenn ich durch die Werkstatt lief, doch es zitterte, wenn ich es zu lange belastete; der Knochen schien jedoch mittlerweile komplett zusammengewachsen zu sein.
»Das ist Meister Lerris«, sagte Rissa. »Wendre glaubt, dass Callos ein guter Schreiner werden könnte.«
Ich verbeugte meinen Kopf vor Wendre, einer stämmigen kleinen Frau mit langen braunen Haaren, die sie zu einem Haarknoten zusammengebunden hatte. »Die Schreinerarbeit ist nicht immer ganz einfach.«
Der Junge sah zu mir auf. Er war nicht so groß wie ich, doch das war kaum ein Kyphrer. »Ihr seid ein Magier, nicht wahr?«
»Manchmal, aber mehr Zeit verbringe ich mit dem Schreinern.«
Rissa zog Wendre am Ärmel. »Ich habe frisches Brot gebacken. Lass Meister Lerris mit Callos reden.«
Wendre ließ sich widerstandslos in die Küche zerren.
»Komm mit.« Ich ging hinüber zu der Holzkiste, in die ich die unbrauchbaren Hölzer hineinwarf – manche waren zu groß, um sie im Kamin zu verbrennen, andere zu klein und nur für Kistchen, Brotbrettchen, Intarsien oder sonstiges schmückendes Beiwerk zu gebrauchen. Bis auf die Intarsien handelte es sich dabei um Arbeiten, die ein Lehrling anfertigen könnte, den ich nicht hatte. Ich fischte ein Stück Kirschholz heraus und drückte es Callos in die Hand. »Was kannst du darüber sagen?« Er
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