Kampf Dem Chaos
Justen an.
Er zog unwissend die Achseln hoch.
»Wirst du sie in geschmolzenes Gestein gießen, so wie das letzte Mal? Berli hat davon erzählt.«
»Diesen Sieg musste ich teuer erkaufen.«
»Aber es sind unsere Feinde. Sie werden uns töten, sobald sie uns entdecken.«
»Mit hoher Wahrscheinlichkeit.« Ich sah dem Burschen ins Gesicht und stellte fest, dass er nicht viel älter war als ich damals, als ich Recluce verlassen musste. Nur wenige Jahre waren seitdem vergangen, doch ich fühlte mich viel, viel älter als er, um Jahrzehnte älter. Nicht weiser, wohlgemerkt, nur älter. Ich bückte mich und füllte die Flasche auf.
»Wenn du sie nicht tötest, werden sie keine Ruhe geben, bis wir tot sind«, redete der Junge beharrlich auf mich ein.
»Das stimmt. Und wenn wir sie töten, werden ihre Verwandten und alle anderen Hamoraner uns erst recht vernichten wollen.«
»So ist das im Krieg«, half mir Justen. »Deshalb scheren sich Eroberer keinen Deut darum, ob die Bewohner des eroberten Landes überleben oder nicht.«
»Aus diesem Grund flüchteten auch die Engel.« Dayala tauchte ihre Flasche ins Wasser, als ich meine schon wieder verschloss. »Sie wollten keinen Krieg, der beide Seiten vernichten würde.«
»Wirklich, ehrwürdige Druidin?«, fragte Pentryl.
»Das besagt die Legende.«
»Lass dir noch etwas sagen«, fügte Justen hinzu. »Wenn du kämpfst, wirst du vielleicht am Schluss verlieren. Wenn nicht, verlierst du sofort.«
Pentryls Augen wanderten von Justen zu Dayala und schließlich zu mir. »Aber ...?«
»Der Magier will damit sagen«, versuchte ich zu erklären, »dass der Krieg ein notwendiges Übel darstellt, welches vermieden werden muss, wenn nur irgend möglich, und so schnell und effektiv gewonnen werden muss, wenn er nicht vermieden werden kann.«
»Pentryl! Dein Gaul hat jetzt aber wirklich genug. Wir müssen unsere Pferde auch noch tränken.«
»Lass mich in Frieden, Huber«, entgegnete Pentryl scharf, aber er führte sein Pferd zur Seite.
Mit schlechtem Gewissen eiste auch ich Gairloch vom Wasserloch los und ging mit ihm unter eine Pinie, die uns Schatten spendete. Justen folgte uns.
»Keine schlechte Antwort, Lerris. Allerdings weiß ich nicht, ob ich damit einverstanden sein kann.«
»Warum nicht?«
»Weil er nicht will, dass du aufhörst, Fragen zu stellen«, antwortete Dayala. »Es gibt keine dauerhaften Antworten.«
»Musst du mich immer wieder daran erinnern?«, meinte Justen und nahm ihre Hand.
Sie legte den Kopf zurück und küsste ihn zärtlich. Deutlich spürte ich die gewaltigen Gefühle, die von diesem Kuss ausgingen, und ich hoffte, dass Krystal und ich vielleicht in zehn Jahren auch so füreinander empfinden würden.
Irgendwo in den Eisenadern unter den Osthörnern polterte das Chaos; ich schluckte.
Ich sah mich um und vergewisserte mich, dass die Elitegarde sich noch an der Quelle oder außer Hörweite aufhielt, dann fragte ich: »Was werden wir mit den Hamoranern machen?«
»Willst du das wirklich wissen?«
»Eigentlich nicht, aber ich sollte.«
»Wir müssen das Gleichgewicht stören, Ordnung und Chaos heraufbeschwören und die Ströme teilen. Dort wo die Hamoraner stehen, werden wir sie wieder zusammenführen.« Justen schnaubte. »Das setzt voraus, dass wir das Gleichgewicht erreichen, dass genug Chaos-Energie vorhanden ist, dass sich die Hamoraner nicht zu sehr verteilen und dass sie dumm genug sind, uns anzugreifen, und sich nicht zurückziehen.«
»Es gibt mehr als genug Chaos hier und es ist stärker als anderswo.«
Justen starrte mich an und schüttelte den Kopf, er wirkte traurig. Ich hätte ihn gern gefragt, warum, doch ich wagte es nicht. Dann kam Weldein zu uns.
»Die Pferde sind getränkt. Sollen wir aufbrechen?«
Justen nickte. Ich stieg auf und blickte noch einmal zur Schutzhütte, in der ich das Zedernholzstück gefunden hatte. Mit der Schnitzerei kam ich nicht voran, weil ich das Gesicht unter der Maserung noch nicht erkannte. Warum fiel mir gerade jetzt das Holzstück ein? Handelte es sich um Justens Gesicht? Oder Krystals? Oder quälte mich nur das schlechte Gewissen, weil ich mein Werk nicht zu Ende geführt hatte?
Ratlos schüttelte ich den Kopf und blickte über das grasbewachsene Dach der Hütte zu den Schneeflecken in den Bergen. Gairloch trug mich die Straße hinauf und ich drehte mich noch einmal um; die alte Tür fiel bereits aus den verrosteten Angeln. Jetzt im Spätsommer leuchtete das noch intakte Grasdach nicht nur
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