Kampf Dem Chaos
zu leben.«
Das sah ich ein. Manche Menschen neigten zur Übertreibung – zu viel Ordnung, zu viel Chaos – und verstanden gar nicht, was sie damit anrichteten. »Und die Druiden können das?«
»Druiden ja. Aber nicht alle, die in Naclos zur Welt kommen, werden Druiden, und andere, die irgendwo außerhalb des Großen Waldes das Licht der Welt erblicken, schon.« Sie schmunzelte in Justens Richtung, der Gesichtsausdruck ließ sie wie ein junges Mädchen wirken.
»Was geschieht mit ihnen – denjenigen, die nicht verstehen? Werden sie hinausgeworfen, wie in Recluce?«
»Einige gehen. Andere sterben.«
»Es gibt eine Prüfung«, erklärte Justen weiter. »Niemand wird gezwungen, sich ihr zu unterziehen, aber diejenigen, die es nicht tun, werden tatsächlich ... ausgestoßen ... aus der Gemeinschaft in Naclos. Manche gehen lieber, als sich der Prüfung zu unterziehen. Andere stellen sich ihr und überleben sie nicht.«
Ich schüttelte angewidert den Kopf. Die Druiden schienen auch nicht besser zu sein als die Schwarzen in Recluce.
»Das gefällt dir nicht?«, wollte Dayala wissen.
»Nein.« Nicht nur das, ich war sogar verärgert darüber, obwohl ich meinen Ärger gar nicht begründen konnte.
»Sind alle Geschöpfe vollkommen?«, fragte sie.
»Nein. Natürlich nicht. Nicht einmal die Engel aus der Legende.«
Gairloch wieherte, er hatte offenbar Durst.
Ich tätschelte ihn. »Bald ... bald.«
»Und wenn ein Geschöpf andere verletzt, oder die Natur verletzt, was sollten diese anderen dann tun?«
»Ich weiß nicht.« Wenn ich jemandem Ordnung aufzwang – und ich sah mich tatsächlich in der Lage dazu, obgleich ich es bislang natürlich noch nicht ausprobiert hatte –, dann handelte ich gewaltsam gegen den Willen des Betreffenden. Wenn ich es nicht tat, und dieser stahl oder verletzte andere, würde Unbescholtenen Gewalt angetan. Aber deshalb gleich jemanden verbannen oder umbringen, weil er vielleicht gewalttätig werden könnte, erschien mir nicht richtig. Warten, bis derjenige etwas anstellte, half jedoch auch nicht. Doch Verbannung oder Tod zur Verhinderung von Unrecht konnte sicher nicht die Lösung sein.
»Lass es mich erklären«, sagte Dayala. »Die Prüfung in Naclos ist dazu da, um die Prüflinge zu einem Einvernehmen mit dem Gleichgewicht zu führen. Auch du hast dich dieser Prüfung unterzogen, möglicherweise unbewusst. Dass du es getan hast, ist unschwer zu erkennen. Manche Menschen müssen sterben, weil sie das Gleichgewicht nicht akzeptieren oder nicht begreifen. Andere fürchten die Prüfung und wir schicken sie ins Leere Land, wo sie weiterleben können.«
»Ihr vertreibt sie aus Naclos?«
»Nein. Einige gehen, aber wir vertreiben sie nicht. Wir ziehen ihr Verbleiben in Naclos vor, zu ihrer Sicherheit und zur Sicherheit der anderen. Wenn sie gehen, riskieren sie viel, denn sie müssen im Leeren Land mit ihresgleichen leben. Alle entscheiden sich jedoch entweder bewusst dazu oder aus Schwäche.« Sie sprang vom Pferd und führte ihr Ross neben Rosenfuß her. Sie ging schnell, dennoch mühelos.
Ich wusste genau, was mir daran nicht gefiel: Der Einzelne spielte keine Rolle. Nur die Gemeinschaft zählte. Genau wie in Recluce, entweder passte man sich an oder musste gehen.
»Jemand, der anders ist ... wird hinausgeworfen?«
»Nein.« Dayala lachte und schnaubte halb. »Viele sind anders. Mein Vater zum Beispiel, er war völlig anders. Er arbeitete als Schmied, du wirst dir denken können, dass dieser Beruf für Druiden etwas völlig Fremdes ist. Er verbrachte sein ganzes Leben im Großen Wald. Justen hat ihn auch kennen gelernt.«
»Er war ein guter Schmied, konnte ausgezeichnet mit Werkzeugen umgehen«, erzählte Justen geistesabwesend.
»Wie du auch.«
Wieder wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich etwas verpasst hatte, aber ich bohrte einfach weiter. »Wenn ihr die Unterschiede akzeptiert, warum ...«
»Warum verbannen oder töten wir dann? Das sind die Maßnahmen gegen jene, die den Unterschied nicht akzeptieren wollen.«
Darüber dachte ich eine Weile nach. Dayala hielt mit den Pferden mühelos mit, sie geriet nicht einmal außer Atem.
Akzeptieren? War das der Schlüssel? Recluce akzeptierte keine Unterschiede. Naclos hatte jedoch auch Justen angenommen und bei ihm handelte es sich bestimmt nicht um einen gewöhnlichen Druiden.
»Warum riskierst du dein Leben für den Autarchen?«
»Weil Kyphros mich akzeptiert, nehme ich an.«
Sie zog die Schultern hoch, als wollte sie
Weitere Kostenlose Bücher