Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
Na-dann-viel-Glück-Option bezeichnet werden.)
Verkünden, dass jeder seine eigene lokale Volksversammlung ins Leben rufen dürfe und dann jede Volksversammlung über ihre eigene Form der Selbstorganisation entscheiden lassen.
Letztere Option scheint eher im Einklang mit anarchistischen Prinzipien zu stehen, was aber vermutlich an den historischen Folgen nichts geändert hätte. Wenn nämlich beispielsweise die Einwohner von Bilbao mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt hätten, eine lokale Regierung mit einem Bürgermeister und Polizeikräften zu schaffen, wie hätten die Anarchisten in Madrid oder Barcelona sie davon abhalten sollen? In Gemeinden wiederum, in denen Kirche oder Gutsherren noch immer auf die Unterstützung aus dem Volk zählen konnten, wären voraussichtlich die alten konservativen Kräfte an die Macht gekommen; in sozialistischen oder kommunistischen Gemeinden hätte man sozialistischen oder kommunistischen Parteipolitikern und Bürokraten die Verantwortung übertragen; dann hätten rechte und linke Etatisten rivalisierende Konföderationen gegründet, die sich jeweils zur rechtmäßigen Regierung Spaniens ernannt hätten, obwohl sie nur einen Bruchteil des früheren spanischen Staatsgebiets kontrolliert hätten. Ausländische Regierungen hätten anschließend je nach ihrer politischen Ausrichtung entweder die eine oder die andere der beiden Konföderationen anerkannt, da kein Land bereit gewesen wäre, mit einer Nicht-Regierung wie der FAI Botschafter auszutauschen, selbst wenn die FAI theoretisch Botschafter mit diesen Ländern hätte austauschen wollen, was natürlich nicht der Fall gewesen wäre.
Mit anderen Worten, die eigentlichen kriegerischen Auseinandersetzungen hätten vielleicht aufgehört, doch der politische Kampf wäre weitergegangen, und in weiten Teilen Spaniens hätte es schlussendlich vermutlich ausgesehen wie im heutigen Chiapas. Dort ist jeder Ortsteil und jede Gemeinde in anarchistische und antianarchistische Lager gespalten. Ein endgültiger Sieg wäre zwangsläufig ein langer und mühsamer Prozess geworden. Der einzige Weg, wie die etatistischen
Enklaven hätten bekehrt werden können, hätte darin bestanden, deren Kinder für sich zu gewinnen. Dies hätte dadurch erreicht werden können, dass man das Leben in den staatslosen Gebieten merklich freier, angenehmer und schöner sowie sicher, zwanglos und erfüllend gestaltet hätte. Doch selbst wenn es zu keiner militärischen Intervention gekommen wäre, hätten ausländische kapitalistische Mächte alles nur Mögliche versucht, um die berüchtigte »Gefahr eines guten Beispiels« zu bannen. So hätten sie beispielsweise zu Wirtschaftsboykotten aufgerufen, Umstürze geplant und Ressourcen in die etatistischen Zonen gepumpt. Letztendlich wäre vermutlich alles darauf angekommen, in welchem Maße die anarchistischen Siege in Spanien zu ähnlichen Aufständen anderswo geführt hätten.
Der eigentliche Zweck dieser kreativen Übung besteht jedoch lediglich darin, vor Augen zu führen, dass es so etwas wie einen klaren Schlussstrich in der Geschichte nicht gibt. Die Kehrseite dieser alten Vorstellung eines klaren Schlussstrichs ist, dass alles, was daran nicht herankommt, kein richtiger Sieg sein kann. (Schlussstrich meint hier jenen einen Moment, in dem der Kapitalismus besiegt ist und der Staat zusammenbricht.) Revolutionäre hören das ständig. Wenn man den Kapitalismus weiterbestehen lässt, wenn das kapitalistische System die einst subversiven Ideen der Revolutionäre vermarktet, bedeutet das, dass der Kapitalismus in Wirklichkeit gewonnen hat. Die Revolutionäre haben verloren; sie wurden vereinnahmt. Aus meiner Sicht ist diese gesamte Argumentation absurd. Der Feminismus etwa kann sicherlich als revolutionäre Kraft bezeichnet werden: Was könnte radikaler sein, als Tausende von Jahren der Geschlechterunterdrückung zu überwinden, etwas, das so fest in unserer Vorstellung davon verwurzelt ist, was wir als Menschen sind, sein könnten und
sein sollten? Können wir ernsthaft behaupten, der Feminismus habe verloren oder habe nichts erreicht, nur weil die von Großkonzernen geprägte Kultur sich auf einmal verpflichtet fühlt, ein Lippenbekenntnis abzulegen und den Sexismus zu verurteilen, und weil kapitalistische Firmen inzwischen feministische Bücher, Filme und sonstige Produkte vermarkten? Natürlich nicht. Wenn man es nicht gerade schafft, Kapitalismus und Patriarchat mit einem einzigen tödlichen Schlag zu
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