Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
zurückzuführen, der es gelungen war, die Menschen weltweit zum Widerstand zu mobilisieren. Dieser war äußerst wirkungsvoll: Zunächst büßten die herrschenden Institutionen ihre Glaubwürdigkeit ein, dann wurden die Regierenden in Asien und insbesondere in Lateinamerika von ihrer eigenen Bevölkerung dazu gezwungen, das internationale Finanzsystem bloßzustellen. Wie ich bereits zuvor erläutert habe, geriet die Bewegung dann hauptsächlich deshalb in Verwirrung, weil keiner von uns je ernsthaft in Betracht gezogen hatte, dass wir möglicherweise gewinnen könnten.
Doch es gibt natürlich noch einen weiteren Grund. Nichts versetzt die Herrschenden der Welt und besonders der Vereinigten Staaten so sehr in Angst und Schrecken wie die Gefahr einer Graswurzeldemokratie. Wann immer eine wirklich demokratische Bewegung in Erscheinung tritt – und vor allem, wenn sie sich auf die Prinzipien des zivilen Ungehorsams
und der direkten Aktion beruft –, ist die Reaktion die gleiche: Die Regierung gewährt umgehend Zugeständnisse (na schön, ihr bekommt das Wahlrecht; gut, dann eben keine Atombomben) und beginnt anschließend damit, die militärischen Spannungen im Ausland zu intensivieren. Die Bewegung muss sich dann gezwungenermaßen in eine Antikriegsbewegung verwandeln, die in nahezu jedem Fall weitaus weniger demokratisch organisiert ist. Auf die Bürgerrechtsbewegung folgte somit Vietnam, auf die Anti-Atomkraft-Bewegung folgten Stellvertreterkriege in El Salvador und Nicaragua und auf die Bewegung für globale Gerechtigkeit folgte der »Krieg gegen den Terror«. Doch mittlerweile können wir diesen »Krieg« als das erkennen, was er wirklich war: der verzweifelte und augenscheinlich zum Scheitern verdammte Versuch einer im Niedergang begriffenen Macht, der ganzen Welt ihre spezielle Kombination aus bürokratischer Kriegsmaschinerie und spekulativem Finanzkapitalismus aufzudrücken. Diese morsche Architektur ist Ende 2008 zumindest teilweise deswegen so unvermittelt eingestürzt, weil die Bewegung bis dahin bereits so viel erreicht hatte. Und dies obwohl sie damals schon zum größten Teil von der Bildfläche verschwunden schien. Schließlich war es nach 9/11 zu einer plötzlichen Verschärfung der Repressionen gekommen, und die Bewegung war zudem in Verwirrung geraten angesichts der Frage, wie es nach den überraschenden ersten Erfolgen weitergehen sollte.
Doch natürlich ist die Bewegung nicht völlig verschwunden.
Wir stehen eindeutig kurz vor einem erneuten Wiederaufleben der Vorstellungskraft auf breiter Ebene. Es ist lediglich eine Frage der Zeit. Natürlich reagiert man auf eine unvorhergesehene
Krise üblicherweise zunächst mit Bestürzung und Verwirrung; doch nach einer Weile geht auch das vorüber, und es kommen neue Ideen auf. Es sollte nicht allzu schwierig sein. Die meisten Elemente sind ja bereits vorhanden. Das Problem besteht momentan darin, dass wir diese gar nicht mehr erkennen können, da unsere Wahrnehmung durch jahrzehntelange erbarmungslose Propaganda inzwischen völlig verdreht ist. Betrachten wir an dieser Stelle beispielsweise den Begriff »Kommunismus«. Selten ist ein Begriff derart verunglimpft worden. Es wird routinemäßig behauptet, Kommunismus bedeute, dass der Staat die Wirtschaft kontrolliere und dass es sich dabei um einen unmöglichen, utopischen Traum handle; die Geschichte habe ja gezeigt, dass ein solches System einfach »nicht funktioniert«. Und dies akzeptieren wir mehr oder weniger gedankenlos. Als einzige Option bleibt daher nur der Kapitalismus, wie unangenehm er auch sein mag.
Diese Vorstellung rührt daher, dass »Kommunismus« mit der Art von System gleichgesetzt wird, das im ehemaligen Sowjetblock oder in China existiert hat – nämlich eine von oben verordnete Planwirtschaft. Zugegebenermaßen können diese Systeme unter bestimmten Umständen überraschend effizient sein, insbesondere wenn man zu einer industriellen Aufholjagd rüstet, umfangreiche Großprojekte wie etwa Raumfahrtprogramme durchführt oder auch wenn man Krieg führt. Aus diesem Grund hatten die kapitalistischen Mächte in den 1930er Jahren auch solche Angst: Die Sowjetunion konnte ein Wirtschaftswachstum von zehn Prozent im Jahr verzeichnen, während die Wirtschaft aller anderen Länder stagnierte. Doch paradoxerweise haben diejenigen, die dieses hierarchische System organisierten, niemals behauptet, dass es sich dabei um »Kommunismus« handle, auch wenn sie sich selbst als Kommunisten
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