Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
bezeichneten. Sie nannten es »Sozialismus« (ebenfalls
ein strittiger Punkt, der aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden soll), während sie unter Kommunismus eine utopische, wahrhaft freie und staatslose Gesellschaft verstanden, die irgendwann zu einem nicht vorhersehbaren Zeitpunkt in der Zukunft existieren würde. Das System, das sie tatsächlich schufen, verdient es zugegebenermaßen, verteufelt zu werden. Doch mit Kommunismus in seiner ursprünglichen Wortbedeutung hatte dieses System kaum noch etwas zu tun.
Im Grunde genommen meint Kommunismus eigentlich nur eine beliebige Situation, in der Menschen nach dem Grundsatz »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen« handeln. Genau auf diese Weise handeln die allermeisten Menschen sowieso, wenn sie etwas gemeinsam erledigen wollen. Wenn zwei Leute beispielsweise ein Rohr reparieren und der eine den anderen bittet: »Gib mir doch mal den Schraubenschlüssel«, fragt der andere ja auch nicht zurück: »Und was bekomme ich dafür?« (Falls beide wirklich wollen, dass das Rohr repariert wird.) Dies gilt sogar dann, wenn diese zwei Personen zufälligerweise Angestellte von Bechtel oder Citigroup sind. Sie wenden kommunistische Prinzipien an, weil alles andere nicht funktionieren würde. Das ist auch der Grund dafür, dass Städte oder ganze Länder nach einer Naturkatastrophe oder einem wirtschaftlichen Zusammenbruch derart häufig auf unausgereifte, aber wirkungsvolle Formen von Kommunismus zurückgreifen. (Offensichtlich stellen Märkte und hierarchische Befehlsketten unter solchen Umständen einen Luxus dar, den sie sich schlicht nicht leisten können.) Je mehr Kreativität erforderlich ist und je mehr bei einer bestimmten Aufgabe improvisiert werden muss, umso egalitärer wird höchstwahrscheinlich die daraus resultierende Form von Kommunismus sein: Daher bilden selbst Software-Entwickler, die Anhänger der Republikanischen
Partei sind, mit Vorliebe kleine demokratische Kollektive, wenn sie neue Softwarekonzepte entwickeln wollen. Nur wenn eine Arbeit immer nach demselben Muster abläuft und langweilig wird – wie beispielsweise in einer Fabrik am Fließband –, wird es möglich, den Menschen autoritärere oder sogar faschistische Formen des Kommunismus aufzuzwingen. Doch die Tatsache bleibt bestehen, dass sogar privatwirtschaftliche Unternehmen betriebsintern kommunistisch organisiert sind – auch wenn diese Art von Kommunismus häufig äußerst unangenehme Formen annimmt.
Der Kommunismus an sich ist folglich bereits vorhanden. Die Frage ist nur, wie wir ihn weiter demokratisieren können. Hingegen ist der Kapitalismus nur ein möglicher Weg, den Kommunismus auszugestalten, und außerdem, wie sich immer mehr herausstellt, ein ziemlich katastrophaler. Es ist offensichtlich, dass wir über einen besseren Weg nachdenken müssen, möglichst einen, bei dem wir uns nicht dauernd gegenseitig systematisch an die Gurgel gehen.
Vor diesem Hintergrund ist es sehr viel leichter zu verstehen, warum Kapitalisten bereit sind, die Maschinerie der Hoffnungslosigkeit mit solch enormem Aufwand zu füttern. Der Kapitalismus ist nicht bloß ein wenig effektives System zur Ausgestaltung des Kommunismus: Er ist außerdem berüchtigt für seine Tendenz, in regelmäßigen Abständen auseinanderzufliegen. Jedes Mal, wenn das passiert, müssen diejenigen, die von ihm profitieren, alle anderen – vor allem Fachleute wie Ärzte, Lehrer, Gutachter oder Schadenssachbearbeiter – davon überzeugen, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als alles wieder brav zusammenzukitten und dabei die ursprüngliche Form mehr oder weniger beizubehalten. Und dies obwohl die
meisten, die das System letztlich wieder aufbauen müssen, es noch nicht einmal besonders mögen, und alle wenigstens vage vermuten, dass es doch im Grunde möglich sein sollte, ein zumindest geringfügig intelligenteres und gerechteres System zu errichten. Diese Vermutung hat wiederum ihren Ursprung in den unzähligen Erfahrungen, die die Menschen bereits mit dem Kommunismus im Alltag gemacht haben.
Aus diesem Grund kann allein dadurch, dass irgendeine einigermaßen plausibel erscheinende Alternative existiert – selbst eine derart zweifelhafte Alternative, wie es die Sowjetunion zur Zeit der Weltwirtschaftskrise gewesen sein muss –, aus einem bloßen Konjunkturabschwung innerhalb des kapitalistischen Wechsels von Aufschwung und Krise (»Boom-Bust-Zyklus«) eine anscheinend
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