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Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)

Titel: Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Graeber
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verlockend, ein solches Experiment auch in unserem heutigen Kontext in Angriff zu nehmen. In diesem Kontext ist die Staatsmacht (zumindest in weiten Teilen der Welt) weit davon entfernt, vorübergehend außer Kraft gesetzt zu sein. Stattdessen durchdringt sie jeden Aspekt des Alltags. Dies zeigt sich etwa daran, dass ihre bewaffneten Vertreter sich in die interne Organisationsstruktur von Gruppen einmischen können, denen es ansonsten erlaubt ist, Schecks einzulösen und Kraftfahrzeuge zu besitzen und zu benutzen. Bemerkenswert am heutigen neoliberalen Zeitalter ist, dass die Bürokratie derart allumfassend geworden ist, dass wir sie schon gar nicht mehr wahrnehmen. (Immerhin hat sich in unserer Zeit das erste funktionierende globale Verwaltungssystem in der menschlichen Geschichte herausgebildet.) Wir leben in einem Kontext der unendlichen Reglementierung, der Repression, des Sexismus, der rassistischen sowie der Klassendominanz. In einem solchen Umfeld zu agieren, stellt naturgemäß eine hohe Belastung dar. Viele, die sich einer politischen Bewegung der direkten Aktionen anschließen, sind daher
zwangsläufig einem dauernden Wechselspiel zwischen überschwänglicher Begeisterung und einem Gefühl des Ausgebranntseins ausgesetzt. Momente, in denen alles möglich scheint, wechseln sich ab mit Momenten, in denen Resignation vorherrscht. In anderen Teilen der Welt lässt sich Autonomie viel leichter herstellen, doch dafür ist man nahezu völlig von der Außenwelt abgeschnitten oder muss in Kauf nehmen, kaum Zugang zu Ressourcen zu haben. Die Frage, wie sich Bündnisse zwischen verschiedenen Möglichkeitszonen herstellen lassen, ist hierbei ein grundlegendes Problem.
    Dies sind allerdings strategische Fragen, die weit über den Rahmen des vorliegenden Essays hinausgehen. Mein Anspruch war hier wesentlich bescheidener. Die revolutionäre Theorie hat sich meiner Meinung nach in vielerlei Hinsicht deutlich langsamer entwickelt als die revolutionäre Praxis. Mein Ziel beim Verfassen dieses Artikels war es herauszufinden, ob man nicht ausgehend von der praktischen Erfahrung der direkten Aktion schrittweise neue theoretische Werkzeuge entwickeln könnte. Diese sind in keiner Weise als endgültig anzusehen. Möglicherweise erweisen sie sich noch nicht einmal als nützlich. Doch vielleicht können sie zu einem breiter angelegten Projekt der Reimaginierung, der Neuausrichtung der Vorstellungskraft beitragen.

Armee der Altruisten
    Bildung ist wichtig, das wisst ihr ja, darum macht das Beste
draus. Wenn ihr fleißig lernt, eure Hausaufgaben macht
und euch anstrengt, könnt ihr es einmal weit bringen.
Wenn nicht, sitzt ihr irgendwann im Irak fest.
    JOHN KERRY (Demokrat, Massachusetts)
     
    Kerry sollte sich bei den Tausenden von Amerikanern entschuldigen,
die im Irak Militärdienst leisten. Sie sind dem
Ruf ihres Vaterlands gefolgt, weil sie Patrioten sind und
nicht weil ihre Schulbildung mangelhaft ist.
    JOHN MCCAIN (Republikaner, Arizona)
     
    Im Vorfeld der Wahlen zum US-Kongress im Jahr 2006 konnten die Republikaner einen flüchtigen Moment lang Hoffnung schöpfen. Grund hierfür war ein lahmer Witz von Senator John Kerry, mit dem er ziemlich offensichtlich George Bush aufs Korn nehmen wollte. Die Republikaner interpretierten seine Äußerung jedoch anders und unterstellten Kerry, er sei der Auffassung, dass beim Militär nur lande, wer zuvor von der Schule geflogen sei. Diese Auslegung war natürlich perfide. Den meisten war vollkommen klar, was Kerry damit eigentlich zum Ausdruck bringen wollte, nämlich, dass der Präsident nicht der Hellste sei. Doch die Rechte witterte ihre Chance. Ein Blogger der konservativen politischen Zeitschrift National Review schrieb, das Problem mit »aristokratischen Faulenzern« wie Kerry sei, dass sie meinten, »die Soldaten seien nicht deshalb im Irak, weil ihnen die Mission am Herzen liege (das müssen sie auf jeden Fall leugnen), sondern wegen eines Systems,
das sich ihre fehlenden sozialen und wirtschaftlichen Chancen zunutze mache … Damit sollten wir bis zum Wahltag gnadenlos auf sie einprügeln – genau wie schon 2004 – denn hauptsächlich deshalb verdienen sie es zu verlieren.«
    Wie sich herausstellte, änderte Kerrys missglückter Scherz jedoch nur wenig am Wahlergebnis, da die meisten Amerikaner feststellten, dass ihnen »die Mission« genauso wenig am Herzen lag – insofern, als sie noch nicht einmal genau wussten, worum es bei der Mission überhaupt ging. Die

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