Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
lüften, warum Bienen sich für ihren Bienenstock opfern oder warum Menschen Wildfremden die Tür aufhalten und sie in die richtige Richtung schicken, wenn sie nach dem Weg fragen. Zugleich lässt das Beispiel der Militärstützpunkte den Schluss zu, dass es Amerikanern, vor allem den weniger wohlhabenden, in der Tat zu schaffen macht, wenn ihr Wunsch, Gutes zu tun, vereitelt wird.
Vermutlich ließen sich leicht Nachweise dafür zusammentragen, dass dies tatsächlich stimmt. Studien zum Spendenverhalten haben von jeher belegt, dass arme Menschen am großzügigsten sind, was wohltätige Spenden angeht. Je niedriger
das Einkommen ist, desto höher fällt demzufolge der Anteil aus, den man mutmaßlich bereit ist, an Fremde zu verschenken. Ein ähnliches Muster zeigt sich im Übrigen, wenn man die Mittelschicht und die Schicht der Reichen miteinander vergleicht: In einer Studie von 2003, in der Steuererklärungen analysiert wurden, kamen Forscher zu dem Schluss, dass die Gesamtspendensumme in jenem Jahr um 25 Milliarden Dollar höher ausgefallen wäre, wenn die wohlhabendsten Familien genauso viel von ihrem Vermögen gespendet hätten wie auch nur die durchschnittliche Mittelschichtfamilie (und dies trotz der Tatsache, dass die Gutsituierten wesentlich mehr Zeit und Gelegenheit hierfür haben).
Zudem stellt der Bereich der Wohltätigkeit nur einen winzigen Ausschnitt des Gesamtpanoramas dar. Würde man einmal genau aufschlüsseln, wofür ein durchschnittlicher amerikanischer Arbeitnehmer sein Gehalt ausgibt, würde man höchstwahrscheinlich feststellen, dass er den Löwenanteil davon verschenkt. Nehmen wir das typische männliche Familienoberhaupt. Etwa ein Drittel seines Jahresgehalts wird vermutlich über Steuern und wohltätige Spenden an Fremde umverteilt. Ein weiteres Drittel gibt er wahrscheinlich in irgendeiner Form an seine Kinder weiter; der Rest des Geldes wird vermutlich größtenteils an andere verschenkt oder mit diesen geteilt, man denke beispielsweise an Geschenke, Reisen, Partys oder auch das Sixpack Bier, das für das Spiel der örtlichen Softball-Mannschaft gekauft wird. Man könnte hier natürlich einwenden, dass letzteres Beispiel hauptsächlich darüber etwas aussagt, was im Kern Vergnügen ausmacht. (Wer geht schon gerne allein in einem teuren Restaurant essen?) Doch letztlich ist auch dies bloß ein weiteres Argument für die oben genannte These. Selbst wenn wir uns selbst verwöhnen, ist ein solches Verhalten in der Regel von der Logik des Geschenks
dominiert. Auf ähnliche Weise könnte man entgegenhalten, dass es Eltern, die ein kleines Vermögen ausgeben, um ihre Kinder in einen Nobelkindergarten zu schicken, eher um Status als um selbstloses Handeln geht. Vielleicht, doch wenn man sich einmal ansieht, wie sich Menschen im Laufe ihres Lebens verändern, wird schnell klar, dass ein solches Verhalten ein identisches psychologisches Bedürfnis befriedigt wie im obigen Fall. Wie viele junge Idealisten mag es wohl im Laufe der Geschichte gegeben haben, die sich in dem Augenblick, als sie eine Familie gründeten, endgültig damit abfanden, dass die Welt von Egoismus und Gier beherrscht wird? Ginge man davon aus, dass Altruismus das Hauptmotiv menschlichen Handelns ist, ergäbe ein solches Verhalten durchaus Sinn: Die Enttäuschung darüber, dass sie sich nicht gegenüber der ganzen Welt anständig verhalten können, kompensieren sie dadurch, dass sie stattdessen dem noch viel stärkeren Wunsch nachgeben, ihren eigenen Kindern Gutes zu tun.
All dies lässt meiner Ansicht nach darauf schließen, dass die amerikanische Gesellschaft vermutlich völlig anders funktioniert, als wir normalerweise annehmen. Stellen wir uns einmal vor, die Vereinigten Staaten, so wie wir sie heute kennen, seien von einem genialen Gesellschaftserfinder ausgetüftelt worden. Mit welchen Annahmen über die menschliche Natur hätte dieser Erfinder vermutlich gearbeitet? Wohl nicht mit Theorien der rationalen Entscheidung. Er muss ja die Menschen dazu bringen, sich der Arbeitswelt und dem Markt auszuliefern (was im Klartext bedeutet, sich auf geisttötende Tätigkeiten und einen erbarmungslosen Konkurrenzkampf einzulassen). Dies kann unser Gesellschaftserfinder nur erreichen, indem er sie mit der Aussicht ködert, dass sie so ihre Kinder mit Geld überhäufen oder ihren Freunden einen Drink ausgeben können. Oder dass sie für den Rest ihres Lebens
Museen fördern und verarmten Ländern in Afrika AIDS-Medikamente zukommen
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