Kampf der Gefuehle
»Dann wollen wir es uns gemütlich machen und ein wenig Zeit miteinander verbringen, ja? Aber nicht zu lange, denn der Invalide braucht Ruhe, damit er bald wieder hochkommt. Aus dem Bett natürlich, aus dem Bett!«
Wie Ariadne feststellte, schien Gavin der Diva ihre anzüglichen Bemerkungen in keiner Weise übelzunehmen. Er streckte ihr mit fröhlich funkelnden Augen die Hand entgegen und ließ es zu, dass sie ihn kurz auf die Wangen küsste, bevor sie Platz nahm. Ihre Unterhaltung, bei der es um Madame Savoies nächste Vorstellung, ihre Gesundheit und gemeinsame Freunde ging, war äußerst lebhaft und verlief völlig ungezwungen. Sie waren Freunde, auf eine ungewöhnliche Art. Zumindest gewann man diesen Eindruck.
Ariadne freute sich über Madame Savoies Anwesenheit, denn der Besuch der Diva hatte es ihr leichter gemacht, das Krankenzimmer wieder aufzusuchen, das sie seit der missglückten Rasur am Morgen des vorhergehenden Tages nicht mehr betreten hatte. Sie war kurz davor gewesen, in sein Zimmer zu rauschen und so zu tun, als sei bei ihrem letzten Besuch nichts von Bedeutung geschehen, doch dann hatte die Ankunft der Diva sie davor bewahrt.
Und was genau war denn geschehen? Nichts weiter als eine attaque de nerfs ihrerseits, wie sie rückblickend erkannte. Das Ganze war vorübergegangen, wie es solche Anfälle an sich hatten, und jetzt war sie bereit, da weiterzumachen, wo sie aufgehört hatte.
»Ist Ihnen schon das Gerücht zu Ohren gekommen, dass Ihr Duellgegner beabsichtigt, die Stadt zu verlassen?«, fragte die Diva.
»Man hat mich davon in Kenntnis gesetzt.« Gavin, der damit beschäftigt war, das Band um die Pralinenschachtel aufzubinden, schien seiner Besucherin nur mit halbem Ohr zuzuhören.
»Es heißt, der Gentleman habe einen Platz auf der nach Marseille segelnden Leodes gebucht, die wegen Reparaturarbeiten allerdings erst in ein paar Tagen in See sticht.«
»Dann geht es ihm also besser.«
»Offenbar.«
»Gleichwohl muss er hier schmoren und ist nicht in der Lage, den Ort seiner Schande zu verlassen.«
»Derweil sucht er allerlei Spielhöllen auf, wo er durch seine Trinkfestigkeit auffällt wie auch durch Bemerkungen des Sinnes, dass er es bedauert, dass er Ihnen nicht den Rest geben konnte.«
»Solche Äußerungen sind kein Verbrechen.«
Madame Zoe nickte, so dass die Feder an ihrem Hut auf und ab wippte. »Es sei denn, er setzt sie in die Tat um. Es waren zahlreiche maitres d'armes zugegen, die sich gemerkt haben, was er sagte.«
»In deren Namen Sie stehenden Fußes zu mir geeilt sind, um mich zu warnen? Oder hoffen Sie, mich mit der Neuigkeit aus dem Bett zu lotsen?« Gavin hatte der Schachtel eine Praline entnommen und hielt sie Napoleon hin, um den Vogel zu sich zu locken. »Obwohl ich Ihnen für den Hinweis dankbar bin, kann ich mir nicht vorstellen, dass unser russischer Freund vorhat, mir noch etwas anzutun. Wahrscheinlich meint er, dass er sich die Mühe sparen kann, weil mir der Wundbrand oder das Wundfieber ohnehin den Garaus machen.«
Die Diva zog die Augenbrauen hoch. »Besteht denn diese Gefahr? «
»Nicht, solange ich hier gehegt und gepflegt werde. Und Pralinen erhalte, um wieder zu Kräften zu kommen.«
»Sie schrecklicher Mensch, Sie«, entgegnete Madame 282
Savoie, ohne im Geringsten aufgebracht zu sein, während sie beobachtete, wie ihr Papagei über die Bettdecke tapste und Gavin die Praline aus den Fingern nahm, um anschließend daran zu knabbern wie ein Kind an einem Keks. »Eigentlich würde es Ihnen ganz recht geschehen, wenn ich mein Geschenk wieder an mich nähme.«
»Nur zu«, sagte er liebenswürdig, »falls Sie daran interessiert sind, sich auf eine Auseinandersetzung mit einem fuchsteufelswilden grünen Vogel einzulassen.«
»Oh, das würde mir nichts ausmachen, aber es würde mir das Herz zerreißen, Sie jammern und klagen zu hören.«
Erstaunt vernahm Ariadne, wie Gavin in sich hineinkicherte. Sie kannte niemanden sonst, der es gewagt hätte, so etwas zu ihm zu sagen, beziehungsweise niemanden, der es unbeschadet überstanden hätte, nachdem er es gesagt hatte. Die Diva stieg um einige Grade in ihrer Wertschätzung. Gleichzeitig fand sie es faszinierend zu erleben, dass ihr Patient imstande war, über sich selbst zu lachen. Das hatte sie ihm gar nicht zugetraut.
Im Laufe des Tages waren noch andere Besucher ins Haus gekommen. Ariadne war nicht zugegen gewesen, da es klar zu sein schien, dass sie es vorzogen, wenn sie abwesend war. Deshalb hatte
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