Kanada
mit der schwedischen Frau, Mrs Gedins, der anderen Bewohnerin von Partreau, die immer schweigend aus dem Fenster starrte – und lieferte mich im Leonard ab, wo meine Arbeit daraus bestand, die Gästezimmer und die Bäder unter Wasser zu setzen, für 3 kanadische Dollar am Tag plus Verpflegung. Mrs Gedins arbeitete in der Küche, sie kochte für den Speisesaal des Hotels. Den halben Nachmittag hatte ich für mich und konnte entweder zurück nach Partreau radeln, wo es nichts zu tun gab, oder dableiben und am frühen Abend mit den Erntehelfern und Eisenbahnleuten in dem schwach beleuchteten Speisesaal essen, dann kam ich erst nach dem Dunkelwerden nach Hause. Charley hatte mir ausdrücklich verboten, auf dem Highway zu trampen. Die Kanadier, erklärte er, hielten nichts vom Trampen und würden annehmen, ich sei entweder ein Verbrecher oder ein Indianer, und dann würden sie wahrscheinlich versuchen, mich zu überfahren. Tramper seien auffällig und verdächtig, und wir wollten doch nicht die Aufmerksamkeit der berittenen Polizei, der Mountys, erregen. Es war, als hätte Charley selbst etwas zu verbergen, das bei näherer Inspektion aufgeflogen wäre.
Obwohl ich noch nie einen Raum feucht gewischt hatte, höchstens wenn ich auf Verlangen meiner Mutter beim Hausputz geholfen hatte, stellte ich fest, dass ich es konnte. Charley zeigte mir ein paar Tricks, wie man zügig mit einem Zimmer fertig wurde, so dass ich alle schaffte, die mir zugeteilt waren – sechzehn, dazu die beiden Gemeinschaftsbäder auf jeder Etage, die die Dauergäste benutzten, Bohrarbeiter aus der Ölförderung und Jungs aus der Eisenbahnertruppe und Handelsreisende und Bedarfs-Erntehelfer aus den Küstenregionen, die jeden Herbst über die Prärie zogen. Viele von ihnen waren jung, kaum älter als ich. Viele von ihnen waren einsam und hatten Heimweh, und einige wurden gewalttätig, tranken und prügelten sich. Aber keiner achtete darauf, in welchem Zustand er den Raum hinterließ, in dem er geschlafen hatte, oder das Bad, wo er sich gewaschen und die Toilette benutzt hatte. Die kleinen Zimmer rochen übel nach ihren Ausdünstungen – nach Schweiß und Dreck, und dann noch nach Essen und Whiskey und zähem, schleimigem Schmutz und Einreibemittel und Tabak. Die Bäder am Ende des Korridors stanken zum Himmel und waren stets feucht und seifig und überdies voller Flecken intimen Ursprungs, die die Männer nie wegwischten, was sie bei ihrer Mutter zu Hause bestimmt gemacht hätten. Manchmal schob ich eine Zimmertür auf, beladen mit Eimer und Wischmopp und Besen und Lappen und Putzmittel, und drinnen lag einer der Jungs allein auf einem der Betten und rauchte oder starrte aus dem Fenster oder las in der Bibel oder einer Zeitschrift. Oder eins der philippinischen Mädchen saß allein auf der Bettkante, ein- oder zweimal auch nackt, und mehr als einmal im Bett mit einem der Bohrarbeiter oder Handelsreisenden, oder mit einem anderen Mädchen in den Tag hineinschlafend. Ich sagte keinen Ton, schloss die Tür behutsam wieder und ließ das Zimmer an dem Tag aus. Die philippinischen Mädchen kamen natürlich gar nicht von den Philippinen, erklärte mir Charley. Sie gehörten zum Stamm der Blackfoot oder der Gros Ventre, und Arthur Remlinger hatte sie mit dem Taxi aus Swift Current oder sogar von Medicine Hat herchauffieren lassen, sie arbeiteten nachts in der Bar und belebten die Atmosphäre, so dass das Leonard für seine Gäste attraktiver wurde, denn ansonsten war Damenbesuch auf den Zimmern nicht erlaubt. Oft, wenn ich morgens zur Arbeit kam, sah ich das Taxi aus Swift Current in der Gasse neben dem Hotel parken, der Fahrer schlief auf seinem Sitz oder las ein Buch und wartete darauf, dass die Mädchen aus der Seitentür kamen und nach Hause gefahren werden wollten. Charley erzählte mir, eins der Mädchen sei in Wahrheit ein Hutterer-Mädchen mit Baby und ohne Mann. Aber so eine habe ich nie im Leonard gesehen, ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass ein Hutterer-Mädchen so tief sinken würde oder dass seine Eltern so etwas erlaubten.
Damit will ich nicht sagen, ich hätte mich auf der Stelle und problemlos in das Leben von Fort Royal eingefügt. Weit davon entfernt. Mir war klar, dass meine Eltern hinter Gittern saßen, dass meine Schwester weggelaufen war und dass ich nun allein unter den Fremden hier festsaß. Doch es war einfacher – einfacher, als man glauben sollte –, mich von alldem abzulenken und in der Gegenwart zu leben, wie Mildred
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