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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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empfohlen hatte, so als wäre jeder Tag ein eigenes kleines Dasein.
    In dem Städtchen Fort Royal war im Frühherbst einiges los, es gewann deutlich im Vergleich zum 6 Kilometer entfernten Partreau, wo ich wohnen musste – einer seltsamen, leeren Geistersiedlung, abgesehen von Charley in seinem Trailer und Mrs Gedins, die mich selten beachtete. Fort Royal dagegen war eine kleine, geschäftige Präriegemeinde an der Bahnlinie und dem Highway 32 zwischen Leader und Swift Current. Wahrscheinlich war die Stadt, deren Bank mein Vater in North Dakota überfallen hatte, ziemlich ähnlich.
    Das Leonard überragte das westliche Ende der Main Street, eine dreigeschossige, eckige, weißgestrichene Holzkonstruktion mit einem Flachdach und Reihen leerer, unverzierter Fenster. Ein kleiner gesichtsloser Straßeneingang führte zu der düsteren Rezeption, dem fensterlosen Speisesaal und der ebenfalls dunklen fensterlosen Bar, die man durch einen schmalen Gang Richtung Hinterausgang erreichte. Das Leonard hatte ein Schild auf dem Dach – das man aus der Stadt nicht sehen konnte, aber auf dem Weg zur Arbeit, wenn ich über den Highway fuhr, konnte ich es erkennen. Rote, gedrungene, eckige Neonbuchstaben verkündeten LEONARD HOTEL , und daneben leuchtete der Neonumriss eines Butlers, der ein rundes Tablett mit einem Martiniglas servierte. (Ich wusste noch nicht, was ein Martini war.) Von draußen auf der Prärie war das ein merkwürdiger Anblick. Aber ich sah ihn gern bei meinem Kommen und Gehen. Er verwies auf eine andere Welt, weit weg von hier, und stand doch jeden Tag wieder vor mir wie ein Trugbild oder Traum.
    Im Grunde sah das Leonard nicht nach einem Hotel aus, im Vergleich mit dem Rainbow in Great Falls oder mit vornehmen Hotels, die ich seither gesehen habe. Es hatte wenig mit der Stadt zu tun. Wenige ihrer Bewohner frequentierten es, höchstens Trinker und verkrachte Existenzen und die übellaunigen Farmer, von denen Arthur Remlinger Land für die Gänsejagd mietete, die durften umsonst in der Bar trinken. Das Leonard war Zielscheibe der Missbilligung in Fort Royal, das einst eine Abstinenzlerstadt gewesen war. Es hatte Glücksspiel und Mädchen im Angebot, und die anständigen Leute mieden es so gut wie einhellig.
    Um zwei Uhr war meine Arbeitszeit vorbei. Wenn ich bis zum Abendessen um sechs blieb, war das oft eine Gelegenheit, Arthur Remlinger zu sehen – stets gut gekleidet, in Begleitung seiner Freundin Florence La Blanc, plaudernd und scherzend und bemüht gastfreundlich gegenüber den zahlenden Kunden. Charley hatte mir eingeschärft, das Gespräch mit ihm nicht zu suchen, das werde nicht erwartet – obwohl unsere erste Begegnung so angenehm verlaufen war. Ich sollte keine Fragen stellen oder mich bemerkbar machen, nicht einmal freundlich sein, ganz so, als lebte Arthur Remlinger in einem seltenen Zustand, den niemand teilte. Ich war lediglich ein Besucher und musste begreifen, dass mir kein besonderer Status und keine Privilegien eingeräumt wurden. Ab und zu kam Arthur Remlinger in der kleinen Rezeption oder beim Hochgehen der Treppe, wo ich gerade fegte oder mit Eimer und Mopp meine Wischpflichten erfüllte, an mir vorbei, oder in der Küche, während ich gerade aß. »Ah ja. Da bist du ja, Dell«, sagte er, als hätte ich mich vor ihm versteckt. »Kommst du in deinem Logis zurecht?« (Ich wusste schon von meinem Vater, was ein Logis war; solche Wörter benutzte Arthur Remlinger.) »Ja, Sir«, sagte ich dann. »Sag uns Bescheid, falls nicht«, antwortete er. »Ich komme schon zurecht«, sagte ich dann. Und mit »Na bestens, bestens« setzte Arthur Remlinger seinen Weg fort. Und das war’s für die nächsten paar Tage.
    In Wahrheit war mir allerdings schleierhaft, warum er, wenn er schon bereit war, sich um mich und mein Wohlergehen zu kümmern, keinerlei Bedürfnis zeigte, mich kennenzulernen – für einen Jungen in meinem Alter war das von Belang. Bei unserem ersten Treffen hatte er gutmütig, aber eigenartig auf mich gewirkt – so als hätte ihn irgendetwas abgelenkt. Jetzt wirkte er noch eigenartiger auf mich, und ich dachte, so sei es eben, neue Leute kennenzulernen.
    Wenn ich in der Stadt blieb und die Stunden bis zur nächsten Mahlzeit totschlug – wonach ich müde nach Partreau zurückradelte, bevor der dunkle Highway mit seinen Getreidelastern und bierbetankten Farmjungs tückisch wurde –, streifte ich oft durch die Straßen von Fort Royal und schaute mir an, was es hier gab. Denn einerseits war

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