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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Zwei Männer in Cowboyhüten standen hemdsärmelig auf dem Kirchvorplatz, ihre Jacken überm Arm, und rauchten. Ein schlammverspritzter roter Pickup stand einsam am Bordstein vor der Kirche. Blechdosen und Besteck und ein paar alte Stiefel hingen an einer Schnur an der hinteren Stoßstange. » Just Married – Reiseziel Himmel« und »Armes Mädchen« stand in Weiß auf die Seitenfenster gekritzelt.
    Berner und ich blieben stehen, und sie musterte die offene Eingangstür durch ihre Sonnenbrille, als kämen da gleich Braut und Bräutigam heraus. Wir waren noch nie in einer Kirche gewesen.
    »Warum soll man überhaupt heiraten?«, sagte Berner mit angewiderter Miene. »Da bezahlst du für was, das du umsonst kriegen kannst.« Sorgfältig spuckte sie zwischen ihre beiden Turnschuhe auf den Rasen vor unserem Haus. Mir war nie in den Sinn gekommen, diese Frage zu stellen, aber manchmal glaubte ich, Berner wüsste, was ich dachte, bevor ich es dachte. Und was sie nicht verstand, konnte sie nicht leiden.
    »Rudys Eltern sind nicht mal verheiratet«, sagte sie. »Seine richtige Mutter lebt in San Francisco, wo er auch hin will, wenn er hier rauskommt. Ich überlege, mit ihm abzuhauen. Das darfst du ihnen aber nicht erzählen, sonst erwürge ich dich.« Sie packte meinen Arm und kniff mich so fest durch ihre weißen Handschuhe hindurch, dass mir sogar die Ohren wehtaten. Sie war viel stärker als ich. »Das mein ich ernst«, sagte sie. »Du kleiner Scheißer.«
    So was hatte sie schon früher zu mir gesagt. Mich einen Scheißer genannt. Einen Waschlappen. Einen Piephahn. Ich mochte das nicht, aber ich nahm es als Zeichen, dass wir uns noch nah waren. Es ging mir dadurch besser als während der ganzen letzten Zeit.
    »Ich würde nie was sagen«, antwortete ich.
    »Würde ja auch keiner drauf hören«, sagte sie höhnisch. »Mr Schachfritze. Das bist du.« Sie ging die Treppe hoch ins Haus.
    Unser Vater saß am Esszimmertisch und rieb seine Cowboystiefel mit Cat’s Paw -Schuhcreme ein. Das hatte ich ihn schon Hunderte Male mit seinen Air-Force-Schuhen machen sehen. Seine Schuhputzkiste aus Holz stand offen auf der Tribune , die meine Mutter gelesen hatte. Vorher hatte er sich die Fingernägel geschnitten. Die milchigen Halbmonde lagen verstreut auf der Zeitung.
    Er hatte den Globus von meiner Kommode genommen und vor sich auf den Tisch gestellt. Im Zimmer roch es süß nach der Schuhcreme. Er hatte den KMON-Sender für das samstägliche Landwirtschaftsmagazin eingeschaltet. Und er trug seine übliche Samstagskluft – Gummilatschen und Bermudashorts und ein rotgeblümtes Hawaiihemd, unter dem das Tattoo von der zusammengerollten Schlange auf seinem Unterarm zu sehen war. Es stand für den Namen der Mitchell, aus der er Bomben abgeworfen hatte. Old Viper . Auf der Schulter hatte er noch eins: Air-Force-Abzeichen, die er sich aber nicht als Pilot verdient hatte – worüber er immer enttäuscht gewesen war.
    Er setzte für mich ein breites Lächeln auf. Er hatte grimmig und konzentriert dreingeschaut, als wir hereinkamen. So wie er sich benahm, ging es ihm nicht gut. Er hatte sich nicht rasiert, aber seine Augen leuchteten so wie nach seiner ersten Geschäftsreise.
    Berner lief einfach durchs Zimmer und blieb gar nicht erst stehen. »Mir ist heiß«, sagte sie. »Ich muss mich in eine kalte Wanne setzen und dann meine Fische füttern.« Niemand hatte den Dachventilator eingeschaltet, aber Berner tat es, als sie den Flur entlangging. Die Luft kam langsam in Bewegung. Ich hörte ihre Tür zufallen.
    »Ich will mit dir reden«, sagte mein Vater und machte mit seinem Lumpen und seiner Politur weiter. »Setz dich zu mir.«
    Ich war nicht daran gewöhnt, ganz allein mit ihm zu sein, obwohl ich offiziell mehr Zeit mit ihm und weniger mit meiner Mutter verbringen sollte. Normalerweise war sie in der Nähe. Er wollte immer ernste Gespräche führen, wenn er mich allein erwischte. Dann ging es ihm meist darum, mir klarzumachen, dass er uns liebte und damit beschäftigt sei, für unser Wohlergehen zu arbeiten, von unserer Zukunft hänge für ihn persönlich viel ab – was er aber nie genau erklärte. Ich hatte dabei immer das Gefühl, dass er Berner und mich nicht besonders gut kannte, weil wir diese Dinge als selbstverständlich voraussetzten.
    Ich saß zwischen den Lumpenhäufchen und den geschwärzten Zahnbürsten und der runden Dose Cat’s Paw . Der Globus war so herum gedreht, dass man die Vereinigten Staaten sah. »Ich wünschte

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