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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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sagte mein Vater. »Spielverderber.« Er stierte noch einmal in den Rückspiegel auf unseren Hintermann, wer immer es war. Und statt vor dem Hilfssheriff nach links auf das Jahrmarktgelände zu fahren, trampelte er aufs Gaspedal, und wir spurteten die Third Street entlang, ohne abzubiegen.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte ich, während der weiße Zaun an uns vorbeiraste.
    »Wir gehen nächstes Jahr hin«, sagte mein Vater. »Es ist mir zu voll da. Die lassen ja noch die allerletzte Squaw rein. Und außerdem geht jeden Moment der Regen los.«
    »Gar nicht«, sagte ich.
    »Ich dachte, du magst Indianer«, sagte Berner mit ihrer hochnäsigen Stimme.
    »Tu ich auch«, sagte unser Vater. »Nur heute nicht.«
    »Wenn nicht heute, wann dann?« Das sagte sie nur, um ihn zu provozieren.
    »Wenn ich so weit bin«, sagte er. Und das war’s mit dem Jahrmarkt.

24
    Wir fuhren hinunter zur Smelter Avenue, Ecke Black Eagle. Mein Vater ließ die Augen nicht vom Rückspiegel, als hätte er etwas gesehen, das er dringend hinter sich lassen müsse. Er strich sich mit den Fingern durchs Haar und rieb sich den Nacken oberhalb des Hemdkragens. Er sah mich an, weil ich ihn vor Wut mit meinen Blicken durchbohrte. Wir fuhren auf den Schornstein der Hütte und die Raffinerie zu, die Tag und Nacht beleuchtet war und Gas in gelben Flammen ausspuckte. Es stank, wenn man näher rankam. Rudy hatte mal gesagt, sein Vater würde immer nach Raffinerie stinken, seine Mutter wäre unter anderem deshalb nach San Francisco gezogen.
    »Heißt das, wir gehen nicht mehr auf den Jahrmarkt?«, fragte Berner.
    »Die meisten Karussells waren doch schon abgebaut«, antwortete unser Vater.
    »Nein, waren sie nicht«, sagte Berner. »Ich konnte reingucken. Du warst ja mit dem Auto beschäftigt. Oder so was Ähnlichem.«
    »Mir waren die Karussells egal«, sagte ich. Heiße Raffineriedämpfe erfüllten das Innere des Autos.
    »Bäh, Gestank«, sagte Berner und kurbelte ihr Fenster hoch, als wir an dem Gewirr aus Rohren und riesigen Ventilen und Sammeltanks vorbeifuhren, an Männern in silbernen Helmen, die auf Laufstegen und Metallgerüsten unterwegs waren, und der langen Flamme, die aus den Entlüftungsrohren in die böige Luft züngelte. Die Raffinerie stand zwischen der Smelter Avenue und dem Fluss. Wir fuhren auf die Brücke an der Fifteenth Street zu, die uns über den Fluss wieder nach Great Falls zurückbringen würde.
    »Ich wollte den Bienenstand sehen«, sagte ich traurig. Noch etwas, das ich nicht lernen würde.
    »Bienen sind klüger als Menschen«, verkündete Berner. Das gefundene Geld bildete eine schiefe Beule an meinem Hosenlatz. Berner warf mir erneut einen spöttischen Blick zu. Sie tat immer so, als wüsste sie Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte, und belächelte mich von oben herab.
    »Die Bienen sind wie die Menschen hier in Montana, wenn ihr mich fragt«, sagte unser Vater, als er das Steuer einschlug, um auf die Brücke einzubiegen. »Alles eine Sorte. Arbeiterbienen. Hirnlos. Ein Haufen verkungelter Schweden und Wikinger und Deutscher, die es geschafft haben, sich nicht in alle Einzelteile zerbomben zu lassen. Alles Geizhälse, wie die Juden. Ich hab ihnen Autos verkauft.« Manchmal sagte er, er hätte die Japsen nur bombardiert, damit jetzt Juden Pfandleihen betreiben könnten. Ich war versucht, ihm zu erklären, dass der Organismus des Bienenstocks nicht dasselbe sei wie die Einzelbiene und dass wir Menschen sehr viel von ihnen lernen könnten. Aber ich wollte keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen, solange ich das Geld in der Hose hatte.
    »Wo fahren wir hin?«, fragte Berner.
    Unser Vater prüfte durch den Spiegel, was hinter uns vorging. »Wir fahren zum Stützpunkt raus. Gucken den Jets beim Starten zu.« Das hatten wir bislang überall gemacht, wo wir wohnten. Er hielt das für eine tolle Freizeitbeschäftigung. Seine Augen suchten mich, er wollte sehen, wie ich das aufnahm, als Ersatz für den Jahrmarktbesuch, der endgültig geplatzt war. Seine Augenbrauen zuckten hoch, als wäre das ein Witz, an dem Berner nicht beteiligt war. Ich lächelte nicht zurück.
    »Mutter hat ihren Koffer halb gepackt«, sagte Berner. »Wo will sie hin?«
    Wir waren jetzt auf der alten Brücke, die als Sozialmaßnahme unter Roosevelt erbaut worden war. Unser Vater schnüffelte, kniff sich von unten in die Nase, schnüffelte wieder. Seine Augen zuckten zum Rückspiegel, nicht zu mir. »Ich bin bloß mit eurer Mutter verheiratet, ja? Ich kann weder ihre

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