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Kanadische Traeume

Kanadische Traeume

Titel: Kanadische Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Quinn Wilder
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Sie war als Studentin aufgeführt, und das war, außer ihrem Namen, das einzig Wahre in der ganzen Bewerbung. Mandy hatte sie einige Jahre jünger gemacht und behauptet, sie hätte die letzten Sommer im Banff Springs Hotel als Kellnerin gearbeitet. Charity bekam fast einen Herzanfall, als sie sah, was Mandy unter “andere Interessen” geschrieben hatte -
    ein einziges Wort: Männer!
    “O nein!” sagte Charity und schloß die Augen. Dann blickte sie auf die Unterschrift. Das eine las sich wie Marlowe. Das andere hätte Charity sein können, sah aber eher wie Charlie aus, der Name von Mandys Wellensittich.
    Charity zwang sich, Matthew anzusehen. Sein Ausdruck verriet nichts, und er hatte anscheinend nicht die Absicht, das Schweigen zu brechen.
    Ich liebe dieses alte Hotel wirklich, hatte Mandy gesagt.
    Mandy, die Tom Bellinger verhauen hatte, weil er sie, Charity, eine vieräugige Mißgeburt genannt hatte. Nein, Charity konnte Mandy nicht verraten.
    “Es tut mir leid”, sagte Charity.
    “Das ist also größtenteils erfunden.” Matthew zeigte auf die Bewerbung. Charity blickte starr auf seine sonnengebräunte Hand, die ihrer so nah war, und die Erinnerung stieg in ihr hoch.
    “Du hast mir neulich gesagt, du hättest keine Erfahrung”, sagte Matthew, und Charity war fasziniert zu sehen, daß ihm plötzlich Röte ins Gesicht stieg. “Als Kellnerin”, fügte er schnell hinzu.
    “Ja”, sagte sie schlicht, “es ist alles erfunden.”
    “Es ist eine ernste Sache, in einer Bewerbung zu lügen.”
    “Das ist mir klar”, sagte Charity.
    “Aber warum nur?”
    “Ich weiß nicht”, sagte sie. “Ich gehe, sobald du eine Vertretung für mich gefunden hast, oder wenn es dir lieber ist, sofort.”
    “So einfach ist es nicht, oder?” fragte Matthew.
    Charity blitzte ihn entrüstet an. “Du glaubst doch nicht, ich würde, was neulich passierte, ausnutzen, um dich zu beeinflussen. Für wen hältst du mich?”
    “Ich habe keine Ahnung”, sagte er sanft. “Eine Wildkatze und eine Jungfrau. Eine Lügnerin und eine Heilige. Unglaublich weich und hart wie Stahl.”
    “Ich bin nicht hart”, protestierte Charity. Und auch keine Wildkatze, wollte sie sagen, besann sich aber eines Besseren.
    “Das war eine hartherzige Frau, die mich lachend gestrandet zurückließ.”
    Eher eine Schauspielerin, aus purer Verzweiflung zu beispiellosen Höhen getragen, dachte Charity und sagte: “Das tut mir auch leid.”
    “Hör auf zu sagen, es tue dir leid.”
    “Tut es mir aber.”
    “Das weiß ich. Denkst du, ich kann nicht sehen? Fühlen?
    Was echt ist und was nicht?” Seine Stimme wurde weicher.
    “Manchmal, wenn ich dir in die Augen schaue, habe ich das Gefühl, daß ich dich bis ins Tiefste deiner Seele kenne und dann”, er berührte die Schramme an seiner Nase und zeigte auf das Papier in ihrer Hand, “fällt alles zusammen.”
    “Ich habe gesagt, daß ich gehe.”
    “Ich möchte nicht, daß du gehst, verdammt noch mal!”
    Es lag zwischen ihnen in der Luft, die Attraktion, die gegenseitige Anziehung…
    “Vermutlich wäre es besser”, sagte Charity.
    “Vermutlich, ja!” erwiderte er bissig. “Verstehst du jetzt, warum ich gefragt habe: Was haben wir getan? Ich bin dein Chef. Es ist ein untragbares Verhalten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.”
    Seine Worte versetzten Charity einen Stich. Für sie war es eine wundervolle Nacht gewesen, und er hatte es zu untragbarem Verhalten reduziert. Trotzdem fühlte sie seine tiefe Selbstkritik.
    “Es ist nicht so, als hättest du es geplant”, sagte Charity. Aus unerklärlichen Gründen wollte sie seine Qual mildern.
    “Vielleicht nicht geplant.” Er lachte hart auf. “Aber ich habe an nichts anderes gedacht, seit ich dich zum erstenmal sah!”
    Charity war schockiert, daß er das zugab. Dann wurde ihr klar, daß er sich kasteien wollte. Schließlich hatte sie ein Handtuch um den Kopf gewickelt gehabt, als er sie zum erstenmal sah. Nicht gerade ein Anblick, der lustvolle Phantasien weckte.
    “Ich gebe uns beiden eine Chance”, sagte er kalt und stand auf. “Mir die Chance, ein anständiger Mensch zu sein, dir die Chance, Kellnerin zu sein, da es dir so wichtig war, daß du es für nötig gefunden hast, zu lügen. Wir haben beide Fehler gemacht. Wollen wir sehen, ob wir darüber hinwegkommen können.”
    Er hatte ihr steif und angespannt den Rücken gekehrt. Charity stand auf und ging leise hinaus. Gewitterwolken brauten sich jetzt wie eine dunkle Warnung über

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