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Kanadische Traeume

Kanadische Traeume

Titel: Kanadische Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Quinn Wilder
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helfen.”
    Matthew betrachtete seine Großmutter mit einer Mischung von Zuneigung und Ungeduld. “Soweit mir bekannt ist, hat meine Großmutter in den letzten fünf Jahren keine Bewerbungsunterlagen zu Gesicht bekommen. Wer, das möchte ich wissen, stellt hier eigentlich die Leute ein oder feuert sie?”
    Wenn man die Richtigen einstellt, müssen keine gefeuert werden”, murmelte Mandy.
    Charity sah sie entsetzt an.
    “In den nächsten Wochen wird sich hier einiges ändern. Ich werde die Zügel straffen und mit jedem von Ihnen individuell über Ihre Aufgaben und meine Erwartungen reden. Noch eine Empfehlung: Wenn ich Sie um zehn Uhr sehen möchte, und Sie kommen um halb elf hereinspaziert, können Sie sich anderswo eine Beschäftigung suchen. Das ist alles für heute. Donna wird Ihnen Ihre Termine geben, ehe Sie gehen.”
    Alle eilten zum Ausgang. “Miss Marlowe, ich sehe Sie als erste, jetzt gleich in meinem Büro.”
    Charity und Mandy blieben beide wie angewurzelt stehen und starrten ihn an.
    “Mandy”, stellte er klar, obwohl sein Blick grimmig auf Charity gerichtet war.
    Charity, mit stolz erhobenem Kopf, hielt seinem Blick so lange stand, wie sie nur konnte, ungefähr fünf Sekunden. Dann drückte sie aufmunternd Mandy den Arm und folgte den andern aus dem Raum. Sie wartete in der Halle. Aus zehn Minuten wurde eine Stunde. Endlich kam Mandy aus dem Büro, sah aber kaum niedergeschlagen aus.
    “Und?” flüsterte Charity, als sie ihrer Cousine folgte.
    “Er hat meinen Feldstecher konfisziert!” entrüstete sie sich.
    “Er sagte, ich müsse meinen Enthusiasmus mit Reife dämpfen.”
    Sie rümpfte die Nase. “Er sagte, ich würde manchmal die Grenze nicht kennen zwischen Spaßhaben und
    Aufdringlichsein.”
    “O Mandy!”
    “Er sagte, mir sei manchmal der Unterschied zwischen freundlich und zudringlich nicht klar. Zudringlich - was für ein Ausdruck!”
    “Du Ärmste”, sagte Charity voller Mitgefühl.
    “Er hat aber auch gesagt, daß er meine Energie und Loyalität bewundere. Daß ich ein wirklich starkes Freizeitprogramm entwickelt hätte und daß meine Beziehung zu den Gästen sagenhaft sei. Er dankte mir dafür, daß ich seiner Großmutter geholfen habe.”
    “Da wir bei diesem Thema sind”, sagte Charity vorsichtig,
    “du hast doch nicht etwa Personal eingestellt?”
    “Nicht unbedingt”, wich Mandy aus. “Ich hab’ nur bemerkt, daß das alles zuviel wurde für Mrs. Forster und habe ein paar Vorschläge gemacht, die sie gern angenommen hat. Das habe ich ihm allerdings nicht erzählt. Ich habe meine Stelle noch und möchte sie auch behalten. Ich liebe das alte Hotel wirklich.”
    “Hat dich seine Kritik verletzt?”
    “Komischerweise nicht. Ich weiß, daß manches ein wenig zu weit ging. Ich meine, wir haben alle Spaß, und das ist auch gut so, aber es war niemand da, der auch einmal nein sagte, wenn es nötig war. Mir liegt das nicht und Mrs. Forster schon gar nicht.
    Ich bin froh, daß er hier ist. Jetzt hat das Schiff einen Kapitän.
    Übrigens, wann siehst du den Kapitän?”
    Kapitän Hook, dachte Charity. “Morgen um vier. Ich glaube, ich bin die letzte.”
    “Hast du Angst?”
    “Ja.”
    Charity versuchte, ihre Unruhe zu bezwingen, aber es gelang ihr nicht.
    Matthew saß hinter einem großen Schreibtisch, als sie das Büro betrat. Er sah sie nachdenklich an und sagte dann freundlich: “Sie sehen nervös aus, Miss Marlowe.”
    “Wirklich?” Sie konnte den Blick nicht von der großen Schramme auf seiner Nase abwenden. Jetzt sah Matthew erst recht wie ein Pirat aus.
    Er kam hinter dem Schreibtisch hervor und wies auf das Sofa.
    “Bitte nimm Platz.”
    Sie setzte sich und sah überall hin, nur nicht in seine Augen.
    Das Schweigen schien endlos. Schließlich blickte sie auf.
    “So, womit fangen wir an?” fragte er. “Mit dem Abend von neulich? Mit meinem Heimweg? Mit deiner Leistung als Kellnerin? Mit deinem Bewerbungsschreiben?”
    “Meinem was?” fragte Charity verwundert.
    Er setzte sich neben sie. Sie nahm den Duft von Seife und von Aftershave wahr. Matthew war ihr so nahe. Sie sehnte sich danach, ihn zu berühren. Doch statt es zu tun, drückte sie sich in die Ecke des Sofas.
    “Gut, beginnen wir hiermit.” Er hielt ihr ein Stück Papier hin.
    “Erkennst du das?”
    Sie erkannte Mandys Handschrift, groß und rund. Ihr Name in Mandys Handschrift. Charity konnte es nicht fassen. Ihr Name stand da und noch viel mehr. Eine ganze Liste ihrer Stellungen als Kellnerin.

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