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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Machtverlust zur Folge haben und den ganzen Abend versauen. Meine Frau und die Kinder finden sich mit ihrer totalen Niederlage ab und setzen sich erschöpft hin. Seit Wochen muss ich nämlich darum betteln, endlich meine Lieblingssendung sehen zu dürfen. Und wenn nach Stunden mein Flehen endlich erhört wird, dann dauert meine Freude auch nur höchstens ein paar Sekunden. Nie lässt man mich in voller Länge »Das Wort zum Sonntag« sehen. Aber diesmal koste ich meinen Triumph richtig aus! Liebevoll streichele ich mit den Fingern über die vielen, niedlichen, kleinen Tasten auf der Fernbedienung meines Fernsehers. Ich genieße es, dass alle ungeduldig auf eine einzige Bewegung meines Zeigefingers warten: die kleine Bewegung, mit der ich die große Welt in unser Wohnzimmer hole. Aber heute lasse ich meine Familie etwas zappeln. Nie war ich so wertvoll wie heute!
    »Osman, worauf wartest du denn noch, mach endlich das Ding an«, ruft mein Weib ungeduldig.
    »Ach, ihr wollt fernsehen, sag doch was«, tue ich völlig ahnungslos, »mir geht gerade durch den Kopf, wie sehr wir uns durch den Fernseher beherrschen lassen. Aber natürlich nicht nur wir, sondern die ganze Welt wird durch den Fernseher für dumm verkauft. Die Medien bestimmen über unser alltägliches Leben weitaus mehr als wir. Du bist doch das beste Beispiel: Wenn es die blöden Hausfrauen-Serien nicht schon am frühen Morgen gäbe, dann würdest du nicht mal vor ein Uhr mittags aufstehen. Und war es heute morgen nicht ein Bildschirm, der uns abschieben wollte?«
    »Zählt die Frau Kottzmeyer-Göbelsberg denn gar nichts mehr?« »Diese Frau Kottzmeyer-Göbelsberg ist doch nur als Sprecherin von dem Monitor auserwählt worden. Wenn die Apparate bald auch selber sprechen können, dann steht deren Weltherrschaft nichts mehr im Wege.«
    »Osman, mach endlich die blöde Kiste an. Über Sinn und Unsinn des Fernsehers kannst du nach Sendeschluss philosophieren. »
    »Aber Frau, das ist doch das Schreckliche an der Sache. Die Macht der Medien ist grenzenlos, es gibt keinen Sendeschluss mehr. Sie beherrschen unser Leben Tag und Nacht, rund um die Uhr! Selbst auf die Gefahr hin, dass wir uns in die Hosen machen, gehen wir nur dann aufs Klo, wenn die Werbung läuft!« »Was redest du da für einen Quatsch, Osman, du bist selbst der größte Fernseh-Junkie. Du bist doch mit dem Fernseher verheiratet!«
    Meine kleine Tochter Hatice hält die Spannung nicht mehr aus, springt auf und drückt den Knopf am Fernseher. Das macht gar nichts! Das regt mich überhaupt nicht auf! Das tut meiner wahren Machtposition im Hause keinen Abbruch. Die können ruhig schon das Schiff zu Wasser lassen, aber das Ruder, das habe immer noch ich in der Hand. Ich bin der Kapitän, ich bestimme, wann das Schiff untergeht.
    »Osman, du suchst dir morgen sofort eine neue Arbeit! Ich will keinen frustrierten, unzufriedenen Mann den ganzen Tag hier rumsitzen haben!« ruft Eminanim.
    »Aber Frau, wie kommst du denn darauf, dass ich unzufrieden bin? Ich hab’ doch die Fernbedienung in der Hand!«
    »Jow, Mann, voll die geile Alte! Voll das geile Teil! Mann, sind das Möpse!!«
    Durch die Zwischenrufe von meinem Sohn Mehmet weiß ich sofort, dass ein interessanter Film im Fernsehen läuft, der sich nicht für Kinder eigne t. Peinlich berührt, drücke ich schnell auf den nächsten Sender.
    »Frau, warum hast du mich nur abgelenkt? Deinetwegen habe ich nicht gemerkt, dass da nur Schweinkram im Fernsehen läuft!
    »
    »Ey, das oberaffengeile Programm heute, besser als bei der Peep-Show! »
    Durch die erneuten lustvollen Zwischenrufe meines Sohnes merke ich sofort, dass auch das neue Programm sich nicht dafür eignet, gemeinsam mit Kindern gesehen zu werden. Unter lautstarkem Protest Mehmets schalte ich sofort auf einen anderen Sender um.
    »Was soll denn das, Vater, wir sind doch schon alt genug.
    Selbst Hatice ist bereits sechs Jahre alt.« Bei Allah, was ist denn heute bloß los? Auf allen Sendern gibt’s nur Sex! Ist heute denn der »Tag der offenen Hose«?
    Nein, das gibt’s doch nicht! Auch in diesem Film sind sie voll zu Gange. Wenn ich mal alleine gucke und »Bumsfidele Liebesgrüße aus der Lederhose« sehen will, dann muss ich stundenlang auf solche Szenen warten. Und jetzt überall das gleiche. Gibt’s denn heutzutage nichts Anständiges im Fernsehen, was sich ein vernünftiger Familienvater mit seiner Frau und seinen minderjährigen Kindern anschauen kann?
    Helmut Kohl! Endlich!

    Noch nie

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