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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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als Taxifahrer vereinbaren? Da schreibe ich lieber einen Scheck aus.«
    Meine Frau flüstert mir ins bedrohte, heile Ohr: »Osman, wir haben überhaupt kein Geld auf der Bank. Der Scheck ist ungedeckt! Das gibt einen Höllenärger. Geh lieber auf den Handel mit dem Ohr ein. Das ist doch ein absolut fairer Preis, andere verkaufen sogar ihre Nieren für weniger Geld!« Aber ich lasse nicht mit mir handeln und schreibe den Scheck aus. Der Taxifahrer weiß ja nicht, dass er ungedeckt ist. So schaffe ich mir den Kerl wenigstens bis morgen vom Hals, beziehungsweise vom Ohr.
    »Reicht es, wenn ich 50 Mark als Trinkgeld aufschreibe?«
    »Oh, Dankeschön, Herr van Gogh, vielen Dank!«
    »Schreib ihm doch 60 Mark auf, Osman«, ruft meine Frau höchst spendabel, »wenn schon, denn schon.«
    Es ist ja so einfach, nichtvorhandenes Geld mit vollen Händen auszugeben.
    »Osman, wir diskutieren mit den Leuten schon seit Stunden über unsere Abschiebung«, flüstert mir Eminanim zu, »aber wir finden keine Lösung. Heute sind alle total aufgeregt, heute wird das nichts mehr. Sorge bitte dafür, dass sie jetzt endlich alle weggehen! »
    Darum lasse ich mich nicht zweimal bitten. Schließlich will ich mein Arbeitslosendasein genießen. Deshalb packe ich mitten im Wohnzimmer meine alten stinkenden Arbeitsklamotten aus.
    Der Geruch meiner Socken wirkt wie eine Neutronenbombe.
    Sekunden später ist das Wohnzimmer völlig leer! Im Flur drängeln sich die letzten Gäste.
    »Frau Tanja, bleiben Sie doch! Ich nehme an, Sie übernachten heute Nacht sowieso hei uns, oder?«
    »Ich habe ihr auch vorgeschlagen, dass sie bei uns bleiben soll.
    Aber sie möchte lieber bei ihrer Schwester übernachten. Ich hätte mich auch sehr gefreut, wenn sie bei uns geblieben wäre«, ruft meine Frau.
    Ich brauche Eminanim nicht mal in die Augen zu schauen, um zu wissen, dass dies eine Lüge ist.
    »Vielen Dank für die Einladung, Frau Engin. Aber ich komme gleich morgen früh wieder her, und dann bringen wir die Sache in Ordnung.«
    »Sei tapfer, gib nicht auf, Osman« , klopft man mir auf die Schulter.
    »Halt das eine Ohr steif, Osman!«
    »Herr Engin, die Gerechtigkeit muss siegen! Sie sollen wissen, wir stehen auf Ihrer Seite! »
    »Nieder mit dem Kapitalismus!«
    »Hoch-die-internatio nale-Solidarität! »
    »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!«
    »Osman, in der kurzen Zeit habe ich wegen deiner Abschiebung schon einen kurzen Kampfaufruf geschrieben«, ruft Ali stolz.
    »Das ist ja toll. Ali, lies ihn doch mal vor«, sage ich neugierig.
    Warum habe ich vorhin nur so schlecht über ihn gedacht?
    »Der Text ist noch verbesserungsbedürftig, aber ich lese ihn dir mal vor: »Liebe Bürger unserer Stadt! Wie Sie alle wissen, arbeite ich seit Jahren für das Wohlergehen unserer Gemeinschaft. Ich arbeite Tag und Nacht, um ein menschlicheres Füreinander zu schaffen. Wie Sie schon mehrmals in den Zeitungen lesen konnten, bin ich sehr oft vom Bürgermeister unserer Stadt empfangen worden und ich habe ihm jedes Mal geradeheraus meine Meinung gesagt. Und nun habe ich beschlossen, in Zukunft richtig in die Politik zu gehen und bei den nächsten Wahlen für eine Partei zu kandidieren.
    Welche Partei das sein wird, will ich aber noch nicht verraten, da müssen Sie sich noch etwas gedulden!« Na, Osman, wie findest du es bis hierher?«
    »Na ja, im großen und ganzen schön, Ali. Aber sollte es nicht auch etwas um mich gehen?«
    »Aber, Osman, ich sagte doch, der Text ist noch etwas verbesserungsbedürftig!«

    Montag, 18. Juni, 21:40 Uhr

    Kaum hat auch der letzte seinen Fuß vor die Tür gesetzt, fängt eine unglaubliche Rennerei im verseuchten Wohnzimmer an, als ginge es um die Goldmedaille bei der Olympiade.
    Von den rasanten Veränderungen dieser schnelllebigen Zeit bleibt man auch im schützenden Hort der Familie nicht verschont. Es ist nicht mehr so wie früher in der guten alten Zeit, als der Ernährer der Familie auch automatisch das Oberhaupt war. Heutzutage bestimmt jeden Abend ein anderer, wie das Familienleben weitergeht: derjenige nämlich, der sich als erster mit brutaler Gewalt alle Fernbedienungen unter den Nagel gerissen hat!
    Heute bin ich der König! Wohl eher der Sultan, wegen der Kopfbedeckung. Denn ich habe alle Fernbedienungen unter meine Kontrolle gebracht. Die vom Fernseher, von der Satellitenschüssel, vom Video, von der Stereoanlage und der Mikrowelle. Wenn der Feind auch nur eine davon erobert, dann kann das einen erheblichen

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