Kanaken-Gandhi
Studentin?«
»Nein, sie arbeitet nur bis tief in die Nacht hinein.«
»Das ist gut. Solche Frauen weiß ich zu schätzen, die selbst ihr Geld verdienen und nicht nur ihren Ehemännern auf der Tasche liegen«, rufe ich laut genug, damit meine Trauzeugin Eminanim Üstünsürüçü dies auch hören kann.
»Natürlich muss die arme Frau arbeiten gehen. Dein bisschen Geld reicht ja nicht mal für mich aus«, bemerkt meine Exfrau.
»Schau, Vater, da kommen sie schon«, ruft Mehmet und rennt auf die beiden jungen Menschen zu, die in unsere Richtung laufen. Oder besser gesagt, die männliche Person läuft auf uns zu, während er die weibliche mühevoll hinter sich herschleift.
»Vater, darf ich bekannt machen, dies ist deine zukünftige Frau, Karin.«
»Aber, Mehmet, wird sie denn von ihrer Familie gezwungen mich zu heiraten? Ist sie vielleicht keine Jungfrau mehr? Warum schleift ihr großer Bruder sie denn sonst zum Standesamt? Bei Allah, hat ihre Familie sie denn auch noch mit Medikamenten vollgepumpt, damit sie sich gegen die Zwangsheirat nicht wehren kann? Mehmet, das hat keinen Sinn, eins habe ich im Leben gelernt: Liebe kann man nicht erzwingen!«
»Pass mal auf, Louie, so geht das aber nicht«, schimpft Mehmet mit dem Bruder, »der Standesbeamte verheiratet meinen Vater niemals mit einer Frau, bei der man nicht weiß, ob sie noch ohnmächtig oder bereits tot ist!«
»Keine Angst, sie kommt gleich zu sich. Das kenne ich schon«, beruhigt uns mein zukünftiger Schwager Louie und schlägt meiner Braut zwei-, dreimal ins Gesicht.
»Hör auf, Louie, vielleicht kommt das durch die Aufregung.
Bei meiner ersten Hochzeit habe ich auch schlappgemacht«, sage ich.
»Halt dich da raus, Alter! Ich weiß schon, was ich tue!«
Nach ein paar weiteren Ohrfeigen kommt meine zukünftige Ehefrau mit schneeweißem Gesicht endlich zu sich:
»Was ist los? Was machen wir hier?« ruft sie erschrocken.
»Alles nicht so wichtig«, antwortet ihr rabiater Bruder, »du musst nur diesen Opa hier heiraten. Dann gehen wir wieder nach Hause.«
»Ooh, Mehmet, was hast du uns da eingebrockt? Das kann doch überhaupt nicht gut gehen«, schimpft meine Exfrau. Sie schimpft lauter, als die sechs verschiedenen Hochzeitskapellen um uns herum spielen.
Erneut kommt ein Brautpaar aus dem Standesamt, und schon wieder hagelt es Reiskörner. Ein Dutzend Männer mit Fotoapparaten und Videokameras drängeln sich durch die Schar der Gäste nach vorne und stürzen sich auf die hilflosen Opfer.
Ich werde innerhalb von nur zehn Minuten gleich zweimal von Brautsträußen am Kopf getroffen. Meine Exfrau kann es sich nicht verkneifen, meine Zukünftige stichelnd zu fragen, ob sie eigentlich glaubt, mit einem dreckigen T-Shirt und einer kaputten Jeans für die Hochzeit richtig angezogen zu sein.
Das hätte sie nicht sagen sollen!
»Ich will auch weiße Klamotten haben«, kreischt Karin und reißt einer frisch gebackenen Ehefrau mit einem einzigen Ruck das Brautkleid vom Leib. Der verwirrte Bräutigam versucht tapfer, das geraubte Hochzeitskleid von Karin zurückzuerobern.
Da werden auch schon unsere Namen aufgerufen, und Karin muss sich ohne weißes Brautkleid trauen lassen. Wir werden in ein kleines Zimmer mit hohen Wänden und einem großen Tisch in der Mitte hineingeführt. Kaum sind wir im Zimmer, werden wir schon wieder rausgeschmissen:
»Halt, halt, halt, so geht das aber nicht! Schnitt! Die Szene drehen wir noch mal! Die Braut muss mehr lächeln!« schreit der Mann mit der Videokamera.
»Wer hat denn diesen Möchtegern-Fellini bestellt?« frage ich meinen Sohn.
»Das ist einer von Louies Leuten. Das Video ist im Brautpreis inbegriffen.«
Der Standesbeamte schaut meine Braut misstrauisch an:
»Sagen Sie mal, kenne ich Sie nicht irgendwoher? Habe ich Sie hier nicht schon mal als Braut gesehen? Wer ist denn heute der Glückliche?«
Karin stiert mit leerem Blick durch den Raum.
»Nein, nein, den können Sie nicht heiraten«, ruft der Standesbeamte, »das ist mein Protokollführer! Der gehört zu mir. Aber ich gebe Ihnen noch eine Chance, unter den Anwesenden Ihren zukünftigen Ehemann zu finden.« Karin schaut wieder hilflos Mehmet und mich an.
Ja, einer von den beiden ist es. Nun raten Sie mal.
Ich kann die Qualen meiner zukünftigen Ehefrau nicht länger ertragen und erlöse sie:
»Ich bin der Ehemann, Herr Standesbeamter. Die Karin versucht nur, Spaß mit Ihnen zu machen. Ich heiße Engin, Osman Engin.«
»Guten Tag, Herr
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