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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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ein Jahrhundertwende-Modell. »
    »Unverschämtheit«, sagt Eminanim, »Frau Fischkopf ist bestenfalls 93 Jahre alt. Eine zarte unberührte Jungfrau, mit naiven Zukunftsträumen!«
    »Wie alt will die blöde Ziege denn noch werden? 200 Jahre vielleicht? Aber vielleicht können wir das morgen weiterdiskutieren«, stöhnt Opa Prizibilsky. »Kinder, ich fühle mich total kaputt, meine Beine schmerzen fürchterlich, ich weiß nicht, ob’s die Knie oder die Knöchel sind. Der Rücken tut höllisch weh, ich weiß nicht, ob’s die Bandscheibe oder der Nackenwirbel ist. Mir brummt der Schädel, ich weiß nicht, ob’s eine Migräne oder die vereiterte Stirnhöhle ist ... »
    »Opa, du kratzt bestimmt bald die Kurve, ich weiß nicht, ob’s heute oder ob’s morgen passiert«, lästert Mehmet ohne Respekt vor seinem Alter. Ein Glück, dass Opa Prizibilsky bei dem Lärm kein Wort davon verstanden hat. Denn er erzählt ungerührt weiter:
    »Ich habe solche Magenschmerzen, ich weiß nicht, ob’s nur Gastritis oder bereits ein Geschwür ist.«
    »Ist schon gut, Herr Prizibilsky. Sie haben mich überzeugt, das reicht. Sie haben ja mehr Krankheiten zur Auswahl als unser Gemüsehändler Yusuf an Obstsorten«, beruhige ich ihn. »Am besten stecken wir Sie sofort ins Bett, Schlafen ist die beste Medizin. Hoffentlich können Sie bei dem Höllenlärm überhaupt ein Auge zumachen. Sie haben es doch gut, Sie können einfach ihr Hörgerät ausmachen.«
    »Ihr habt meine ganze Wohnung ruiniert! Wer weiß, wann das jemals trocken wird«, schimpft Opa Prizibilsky, als er Gruben-Eddi im Flur entdeckt. »Ich habe nicht mal trockene Unterhosen.«

    »Mach dir nicht ins Hemd, Opa! Dein Loch da unten stinkt sowieso wie ein einziger Nachttopf. Eine Expressreinigung kann die Bude schon vertragen«, höhnt Eddi und schüttet die letzten Piranhas aus dem Plastikbehälter ins Wasser hinunter.
    »Wenn du so große Sehnsucht nach deiner Wohnung hast, dann kannst du ja wieder reinspringen. Die süßen Piranhas brauchen dringend Futter! Wer weiß, wann die Bullen kommen.
    Deine Goldfische sind für die nicht mal eine Vorspeise.«
    »Ihr elenden Penner, ihr Schnorrer, erst auf Staatskosten leben wollen und jetzt auch braven Rentnern Angst einjagen, das haben wir gerne.«
    »Ach, Opa, spiele doch nicht den Beleidigten. Ihr Rentner seid doch viel schlimmere Schnorrer als wir harmlosen Punks.«
    »Herr Prizibilsky, lassen Sie das jetzt. Unser Treppenhaus ist mit Minen übersät, alle Wohnungen sind mit Natodraht umwickelt, ganze Horden von blutrünstigen Bestien laufen scheißend durch die Gegend. Und Ihre Wohnung ist voll mit Wasser und Piranhas. Hören Sie auf, den Helden zu spielen. Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich weiß nicht mal, wohin ich selbst weglaufen soll. »
    »Vater, als gastfreundlicher Tü rke solltest du eigentlich unseren jugendlichen Besuchern hier das Gefühl geben, als wären sie zu Hause«, mahnt Mehmet meine Gastgeberpflichten an.
    »Ich hätte nichts dagegen, wären sie wirklich bei sich zu Hause. Aber schau sie dir an, deine Freunde fühlen sich in unserer Wohnung wohler als ich.«
    »Da hast du Recht, Chef«, meint der Gruben-Eddi, »bei dir ist es so gemütlich, das machen wir zu unserem Zuhause. Uns hat man noch nirgendwo in weniger als einem Jahr aus einem besetzten Haus wieder rausbekommen.«
    »Vater, stell dich doch nicht so an«, sagt Mehmet mit versöhnlicher Stimme. »Endlich ist diese ganze, langweilige Spießer-Wohnung richtig gemütlich geworden.«
    »Da hast du recht, jetzt sieht nicht nur dein Zimmer, sondern die ganze Wohnung aus wie ein einziger Schweinestall. Dir scheint es ja zu gefallen, mich würde es aber nicht wundern, wenn der ganze Ärger der letzten Tage auf deinem Mist gewachsen ist. Frei nach dem Motto: Wer bringt den alten Osman zuerst in die Klapsmühle? Die Ausländerbehörde oder sein Sohn?«
    »Schwachsinn, Vater, warum sollte ich euch denn abschieben lassen?« sagt Mehmet. »Wenn ihr weg seid, dann muss ich ja in ein Studentenwohnheim oder in eine WG. Da muss man selber kochen, selber spülen, selber putzen, selber einkaufen, selber waschen, selber aufräumen und dazu auch noch Geld bezahlen.
    Mit anderen Worten, warum soll ich den Ast absägen, auf dem ich so bequem sitze?«
    »Kommen Sie jetzt mit, Herr Prizibilsky, ich zeige Ihnen mal, wo Ihr Bett steht. Es hat ja gar keinen Sinn, sich mit diesem Pöbel rumzuärgern. Dieser Kerl ist kein Stück besser als seine Mutter. Man kann ihm genau wie

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