Kanaken-Gandhi
eingehen.«
»Dafür kann ich mir nichts kaufen. Außerdem, wie oft soll ich eigentlich noch geopfert werden? Meine Geburt in diese Familie hinein ist doch schon Opfer genug.«
Ein Holzbeil, mit dem man unsere Wohnungstür zertrümmert, segelt knapp an meiner Nase vorbei. Um ein Haar wäre ich das Opferlamm geworden.
Durch das riesige Loch in unserer Tür zwängt sich eine grünhaarige Kreatur mit einem Beil in der rechten und einer Bierdose in der linken Hand in unseren Flur. Sein Köter hat die gleiche grüne Haartracht und genau das gleiche Halsband wie sein Herrchen. Und ich wette meinen Monatslohn drauf, dass beide die gleiche Anzahl von Flöhen beherbergen. Aber ob deren Haare ebenfalls grün gefärbt sind, lässt sich von hier aus, ohne Mikroskop, nicht feststellen. Gleich nach ihm quetscht sich noch ein Pärchen durch das Loch in der Tür. Dann noch eins und noch eins und noch eins ...!
Genau 21 Punks und 21 Promenadenmischungen.
»Ich wollte nur mal kurz ausprobieren, was die Wohnungstür hier aushält, wenn die Bullen stürmen sollten«, rülpst der Erste und knallt seine leere Bierdose an die Wand. »Die Wände brauchst du nicht mehr zu testen, die halten schon ein paar Bierflaschen aus. Schließlich wohnt doch Mehmet hier.«
»Armes Deutschland, so was soll Polizei sein?« staunt Eminanim, während sie sich mit eilig angezogenen Gummihandschuhen nach der leeren Bierdose bückt.
»Aber das ist wahrscheinlich die Ausländerpolizei!«
»Das sind alles Freunde von mir, Kumpels aus der Kneipe. Ich hätte nicht gedacht, dass die Genossen so schnell auf die Beine kommen«, klärt uns Mehmet auf, »die sind gekommen, um uns zu helfen. Die wissen, wie man eine Wohnung erfolgreich gegen die Polizei verteidigt. Die sind das Beste, was die norddeutsche Hausbesetzerszene in den letzten 15 Jahren hervorgebracht hat, gewissermaßen die Creme de la Creme!«
»Als erstes müssen wir die Kleiderschränke vor die Wohnungstür schieben«, brüllt der Führer der Eliteeinheit.
»Dafür kommt ihr schon vier Tage zu spät«, sage ich, »der wurde bereits zertrümmert! »
Einer von der Bande rammt seinen Spaten in meinen neuen Berberteppich und sagt:
»Genau hier müssen wir mindestens zwei Meter tief graben.
Bei jeder Hausbesetzung ist der Wassergraben mit Abstand das Wicht igste!«
»Vielleicht ist es euch in der Hektik nicht aufgefallen, aber wir wohnen in der zweiten Etage. Und der Holzboden ist hier höchstens 20 Zentimeter dick.«
Meine Argumente halten den jungen Mann mit den blauen Haaren aber nicht auf. Mit dem Spaten markiert er einen Entwurf des Grabens in meinem Teppich. Und sein Freund mit den rotkarierten Haaren folgt mit seinem Presslufthammer den Markierungen. Das einzig positive daran ist: Ali wird keine Freude mehr an dieser Wohnung haben. »Der mit den blauen Haaren ist Eddi, der Gruben-Virtuose in unserem Team«, erklärt mir der Kopf der Bande, »er ist bei jeder Hausbesetzung für die Fallgruben und Wassergräben zuständig. Diesen zwei Meter tiefen Graben füllt er später mit Wasser, und dann kommen noch selbstgezüchtete Piranhas rein!« »Haben die etwa auch blaue Haare?«
»Nein, blaue Schuppen.«
»Von mir aus, in fünf Minuten lernen die beiden sowieso Opa Prizibilsky von der ersten Etage kennen. Eure beiden Grubenarbeiter werden gleich in seinem Nachttopf landen. Und da passen dann nicht mal mehr zwei kleine Babypiranhas mit rein.« In dem Moment sehe ich mit blankem Entsetzen, wie ein Trupp der Bande eine riesige Stacheldrahtrolle abwickelt. »Der Ratten-Uli und seine Leute sind bei uns für die Stacheldraht-hindernisse und Elektroarbeiten zuständig. Alle Türen und Fenster werden mit Natodraht zugestopft.«
»Bei Allah, warum habt ihr denn anstatt Stacheldraht den teuren Natodraht gekauft? Wer soll denn für den ganzen Luxus aufkommen?«
»Auf der Baustelle, auf der wir in letzter Zeit immer unser Material besorgt haben, gab’s nichts anderes.«
»Klaut ihr etwa?« frage ich empört, »Diebstahl ist ein Ausweisungsgrund!«
»Nein, wir haben es nur für immer ausgeliehen. Und die Ratte setzt das Ganze gleich unter Starkstrom. Niemand kann dann hier rein, ohne 5.000 Volt verpasst zu bekommen.«
»Aber vermutlich auch nicht raus?« frage ich schüchtern nach.
»Das wollen wir auch nicht. Wir halten immer bis zum Schluss zusammen. Niemand verlässt den Kriegsschauplatz«, appelliert der Führer der norddeutschen Fremdenlegionäre an die begeisterten Massen.
»Aber was ist
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