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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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seiner Mutter ein gutes Dutzend Wege aufzeigen, um aus irgendeinem Schlamassel herauszukommen, aber sie sucht garantiert so lange, bis sie einen dreizehnten gefunden hat. Und den geht sie dann bestimmt auch nur bis zur Hälfte, weil sie plötzlich merkt, dass dreizehn eine Unglückszahl ist.«
    »Wem sagen Sie das, Herr Engin, wem sagen Sie das? Ich war auch schon mal verheiratet. Kennst du eine, kennst du alle!«
    »Passen Sie auf, Herr Prizibilsky, dass Sie nicht stolpern.
    Überall auf dem Boden liegen hier Punks rum mit ihren Kötern.«
    »Wissen Sie was, Herr Engin, ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Sie jemals annehmen konnten, dass diese Schnorrer und Punker ihnen überhaupt behilflich sein könnten?«
    »Das war doch nicht meine Idee, Herr Prizibilsky, mein Sohn Mehmet, dieser kommunistische Idiot, hat uns diese Leute eingebrockt. Glauben Sie mir, ich wechsele immer die Straßenseite, wenn ich Punks sehe. Aber diese Anarchisten schaffen es immer wieder, mir den Weg abzuschneiden und mich mit »ey, haste mal ne Mark?« zu belästigen.«
    »Da haben Sie noch Glück, Herr Nachbar. Wahrscheinlich, weil Sie so ein armes Ausländerschwein sind. Mich quatschen die immer andauernd an: »Ey, Alter, haste mal fünf Mark für mich?««
    »Herr Nachbar, Sie wissen, wie man einen alten Mann wieder aufrichtet. Und da drüben ist unser Schlafzimmer. Am besten, Sie versuchen den ganzen Krach hier zu ignorieren. Ich hoffe, Sie können wenigstens ein paar Stunden schlafen«, sage ich und öffne unsere Schlafzimmertür. »Das ist das einzige Zimmer, wo man noch alleine ist und seine Ruhe hat. Eine Insel des Friedens in all diesem Chaos.«
    Im gleichen Moment bekomme ich einen Schock. So was Grauenhaftes habe ich noch nie gesehen. Mein schönes Schlafzimmer ist völlig zerstört. Vor lauter Parolen sieht man die Wände nicht mehr. Alle Matratzen wurden aus dem Bett herausgerissen. Auf den Matratzen liegen ein bis zwei Punks besoffen in ihrer eigenen Kotze. Ein Hundepärchen sorgt für erneuten Nachwuchs. Und Hatice beobachtet mit großen Augen das Geschehen im Raum:
    »Papa, was machen denn die Hunde für komische Sachen?«
    fragt sie.
    »Guck da weg, Hatice. Die spielen Schubkarre-Schieben. Raus mit dir, du hast hier nichts zu suchen!«
    Ich schnappe mir die kleine Voyeuristin und setze sie vor die Tür.
    »Oh, so eine Scheiße!« schreie ich entnervt.
    »Nehmen Sie es doch nicht so tragisch, Herr Engin. So was sieht sie doch täglich mehrmals auf der Straße oder im Fernsehen«, versucht Opa Prizibilsky mich zu trösten.
    »Nein, darum geht’s mir doch gar nicht. Ich meine diese richtige Scheiße hier. Schauen Sie sich doch bloß meine Socken an. Diese ekelhaften Köter haben überall hingeschissen.«
    »Iii, meine Schuhe sind auch ganz voll.«
    »Herr Prizibilsky, ich halte es hier nicht mehr aus! Ich habe Frau und Kinder, an die ich denken muss. Ich rufe jetzt selbst, freiwillig, die Polizei an. Bisher dachte ich immer, diese Abschiebung sei das Schlimmste, was mir passieren könnte. Seit heute nacht bin ich mit der Abschiebung einverstanden, Hauptsache, die schieben mich nicht mit diesen Idioten zusammen ab«, und laufe verärgert zum Telefon im Flur.
    »Haben Sie sich das auch genau überlegt, Herr Nachbar?
    Nicht, dass Ihnen dieser Schritt später mal leid tut.«
    »Nein, das wird es bestimmt nicht tun. Sehen Sie doch selbst, in welcher erbärmlichen Situation wir hier vegetieren müssen.«
    Ich verkrieche mich in die Garderobenecke und rufe möglichst unauffällig die Polizei an.
    »Kommen Sie schnell«, flüstere ich in den Hörer, »eine Horde von Anarchisten und Gewaltverbrechern hat ein ganzes Haus als Geisel genommen ...
    »Ich darf mal kurz unterbrechen, Sie rufen doch vom Karnickelweg an, nicht wahr?« stoppt mich der Polizeibeamte.
    »Ja, genau, das stimmt! Woher wissen Sie das? Ist der Lärm bis zur Wache zu hören?«
    »Nein, nein, Sie sind heute bereits der 78. Anrufer in dieser Sache.«
    »Dann tun Sie doch was, kommen Sie doch hierher, befreien Sie uns. Aber passen Sie auf, das Treppenhaus ist total vermint.
    Und der Natodraht, mit dem man die Wohnung umwickelt hat, steht unter Starkstrom.«
    »Sie brauchen überhaupt nicht so eine Hektik zu machen«, sagt der Polizist am anderen Ende ganz lässig. »Vorläufig kommen wir überhaupt nicht. Denn wenn sich Punks, Skinheads oder Ausländer in die Haare kriegen, dann kommen wir prinzipiell erst dann, wenn die Prügelei zu Ende ist. Vorher mischen wir uns in

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