Kanal-Zombies
Seite tauchte der lange Schatten in die Dunkelheit ein, um erst an der nächsten Station anzuhalten.
Ludmilla zitterte. Sie hatte alles selbst erlebt und wusste trotzdem nicht, ob sie sich in einem Traum befand oder im wirklichen Leben. Sie schluchzte. Sie zitterte am ganzen Körper.
Mongush erkannte mit einem Blick, dass sie nicht ansprechbar war. Es war für ihn jetzt wichtig, dass sie ihn nicht störte. Noch immer war die Gefahr nicht vorbei, denn er wusste nicht, ob seine Rechnung aufgegangen war.
Der Schamane drehte sich um. Es war nicht völlig dunkel im Tunnel. Einige Lampen klebten unter der Decke und verstreuten ihren trüben Schein.
Er sah auch die andere Seite. Die Tür, durch die sie gekommen waren. Er schaute über die Schienen, die leer waren. Dort war kein Zombie zu sehen.
Hatte ihn der Zug erwischt?
Es war die stille Freude und auch Hoffnung, die für einen Moment in ihm hochschoss. Beides zerplatzte sehr schnell, als er erkannte, dass der Kanal-Zombie überlebt hatte. Er war nicht über die Schienen gelaufen, um sie zu verfolgen. Er hielt sich an der gegenüberliegenden Wand auf und war mehr Schatten als Gestalt.
Der Schamane überlegte, was er unternehmen sollte, als ihm eine erneute Bewegung auf der anderen Seite auffiel. Eigentlich nur, weil er einen Reflex sah und sofort wusste, dass eine zweite Gestalt ihre Waffe geschwungen hatte.
Mongush kannte die alten Geschichten recht gut. Er wusste nur nicht, woher diese Wesen sich die Waffen besorgt hatten. Sie mussten sie bei ihrer Jagd nach Menschen klammheimlich gestohlen haben und konnten damit jetzt perfekt umgehen.
Zwei auf der anderen Seite. Es war klar, dass Mongush und Ludmilla an der Flucht gehindert werden sollten, und er suchte mit schnellen Blicken die Seite nach einer Möglichkeit ab, wie sie verschwinden konnten.
Es gab keine Tür. Nichts, dass sie hätten aufreißen können, um abzutauchen.
Er ließ die Zombies für einen Moment unbeachtet und kümmerte sich um Ludmilla. Sie weinte. Ihre Schultern zuckten, und sie hielt sich auch jetzt an der Wand fest.
Als er sie berührte, schrie sie auf.
»Komm, wir müssen sehen, dass wir aus dem Tunnel herauskommen.«
»Nein, ich will...«
»Du musst!«
»Aber Alwin!«
»Er wird es überstehen«, sagte Mongush mit ruhiger Stimme, obwohl er davon nicht überzeugt war. Wenn die Kanal-Zombies einen Menschen als Beute gestellt hatten, kannten sie keine Gnade.
Mit sanfter Gewalt zog der alte Mann Ludmilla herum, sie wagte es nicht, einen Blick auf die andere Seite der Gleise zu werfen. Ihr Zittern war noch zu stark, aber sie bewegte schon den Kopf, um in die beiden verschiedenen Richtungen zu schauen, weil sie auch an die zweite Gefahr, die Züge, dachte.
Zwei Zombies, dazu noch bewaffnet. Mongush. überlegte, wie er ihnen entwischen konnte. Sie hatten sich günstig verteilt. Sie deckten beide Fluchtwege ab. Sie waren bösartige Monstren, die sich darauf spezialisiert hatten, Menschen zu vernichten. Es hatte schon genügend Tote gegeben, und es sollten keine weiteren hinzukommen. Aber nicht nur er sah sich als ein Jäger der Bestien an, auch Karina Grischin und der aus London gekommene John Sinclair wollten die lebenden Leichen jagen.
Mongush hatte John Sinclair noch nicht getroffen. Er bereute es jetzt, seinen Plan nicht mit den anderen abgestimmt zu haben. Es war doch nicht immer von Vorteil, irgendwelche Alleingänge durchzuführen.
Ludmilla klammerte sich an ihn. Sie atmete heftig. Sie schluckte, hatte Mühe, eine Frage zu formulieren, und flüsterte schließlich unter Tränen: »Ich will hier weg. Kommen wir raus? Haben wir eine Chance?«
»Wir müssen vorsichtig sein.«
»Aber wir haben keine Waffen.«
»Und wir müssen schlauer sein. Besser als die anderen. Vielleicht gelingt es uns.«
»Besser als die anderen?« Sie lachte schrill auf.« Das geht doch nicht. Das kann nicht gehen. Die... sind keine Menschen. Auch keine Tiere. Lebende Tote. Da haben wir nichts zu melden. Sie sind uns überlegen.«
»Nur durch ihre Waffen und Grausamkeit.«
»Aber...«
Etwas donnerte von der anderen Seite her heran. Plötzlich war der Tunnel wieder mit den grollenden und schon bösartig klingenden Geräuschen gefüllt.
Der Zug rollte heran, und für die beiden Menschen war es wie ein Überfall.
Ludmilla’s Kopf zuckte hin und her. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Dann spürte sie die dünnen, aber auch starken Arme des Schamanen an ihrem Körper.
Im nächsten Augenblick
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