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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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seltsame Betontrümmer empor, die von Gestrüpp überwachsen waren. Schließlich gelangte sie auf eine kleine Wiese, die sich zum See hin öffnete. Olga Island hielt an und stieg aus. Ein Schwarm Spatzen flog auf und drehte laut zeternd eine Runde über ihrem Kopf. Wie mit einem einzigen Flügelschlag verschwanden die Tiere in Richtung Wasser. Sie folgte ihnen.
    Das Seeufer bestand aus kleinen, sandigen Buchten. Olga Island sah eine Bank, in deren Umgebung Bierflaschen und Kippen auf dem Boden verstreut lagen. Draußen auf dem See zog mit langsamen Schlägen ein Ruderboot dahin. Teichhühner flüchteten und schwammen, aufgeregt mit den Hälsen zuckend, auf eine kleine Insel zu, die aus aufgeschütteten Feldsteinen bestand.
    Island ging über das Gelände und beobachtete aufmerksam den Boden. Das Gras war schütter, an einigen Stellen blühte Klee. Hier sollte ein Toter gelegen haben? Etwas abseits, gegen eine Pappel gelehnt, stand ein Fahrrad. Aber es war weit und breit kein Mensch zu sehen.
    Der Weg, auf dem Island gekommen war, zog sich über die Wiese und führte auf eine Anhöhe zu, wo er sich zu verzweigen schien. Mühsam erklomm sie das Hügelchen zu Fuß. Ihr Rücken schmerzte.
    Oben sah Island, dass der eine Abzweiger an einem hohen, dunkelgrün gestrichenen Tor endete, das offenbar den Eingang zu einem weiteren abgezäunten Gebiet bildete. Der hohe Wildzaun war mit Natodraht umwickelt. Hinter dem Tor befand sich eine Allee aus alten Linden. Ein Marmorschild, das am Tor befestigt war, verkündete: Privat! Das Betreten und Befahren des Geländes ist strengstens untersagt. Gutsverwaltung Kreihorst.
    Der andere Weg führte weiter die Anhöhe hinauf. Kurzatmig folgte Island dem sandigen Pfad mit den tiefen Reifenspuren. Oben angekommen, staunte sie nicht schlecht: Vor ihren Augen tat sich eine weite Fläche aus feinem, weißem Strandsand auf. Das Gelände war nur spärlich mit Weidenbüschen bewachsen und von Gräben und Wällen durchzogen. Es schien bis zum Horizont zu reichen. In einem der Wälle konnte Island ein Schild erkennen: Achtung, Spülfelder! Beim Verlassen der Wege Ertrinkungsgefahr!
    Island sah wieder auf ihre Karte und pfiff durch die Zähne. Die Spülfelder zogen sich bis hinüber zur A 210, die von Kiel nach Rendsburg führte. Sie waren so groß, dass eine ganze Kleinstadt auf ihnen Platz gefunden hätte. Das unwegsame Gelände, unzugänglich und abgelegen zugleich, wäre perfekt dazu geeignet, eine Leiche verschwinden zu lassen.
    Als sie wieder an ihrem Wagen stand, bemerkte sie, dass das Fahrrad von der Pappel verschwunden war. Es war ein Damenrad gewesen, da war sie sich sicher, aber an die Farbe konnte sie sich nicht mehr erinnern. Sie schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich lag es an ihrem Zustand, dass ihr eigentlich fotografisch arbeitendes Gedächtnis nicht so funktionierte wie sonst.
    Hedda Marxen öffnete die Haustür nach dem dritten Klingeln. Sie war eine große, schlanke Frau mit auffällig geschminkten Augen. Island schätzte sie auf Mitte vierzig. Die blondierten, halblangen Haare klebten feucht an ihrem Hals. Ihre gebräunte Haut war im Gesicht auffällig gerötet. Sie ließ Island eintreten und führte sie ins Wohnzimmer. Der Duft eines fruchtigen Duschgels mischte sich mit dem säuerlichen Geruch von altem Alkohol.
    Das Wohnzimmer war weitläufig und hatte breite Glasschiebetüren. Es war fein, aber sparsam möbliert. Vor einer Durchreiche zur Küche befand sich ein langer Esstisch. An der Stirnseite des Tisches stand ein verwaister Kaffeebecher auf einem Platzdeckchen. Hedda Marxen deutete auf zwei helle Ledersessel vor dem offenen Kamin. Sie setzten sich.
    »Wohnen Sie allein?«, fragte Island.
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Mein Mann arbeitet unter der Woche in Hamburg. Meine Söhne studieren auch auswärts.«
    »Sie sind nicht berufstätig?«
    Frau Marxen verzog spöttisch die vollen Lippen und sah ihr auf den Bauch. »Sie wohl auch bald nicht mehr.«
    »Na, ich denke schon«, sagte Island und versuchte sich ihre Verblüffung über diesen Ausspruch nicht anmerken zu lassen. »Bitte erzählen Sie mal: Was genau haben Sie gestern am See beobachtet?«
    Die Frau beugte sich vor und fuhr mit den Fingerspitzen über die gezupften Augenbrauen. »Ich war schwimmen wie jeden Tag«, begann sie. »Da lag er auf der Wiese. Ich dachte, er würde schlafen.« Sie verstummte und pflückte mit ihren nackten Zehen eine Wollfluse aus dem dicken, rotbraunen Teppich zu ihren Füßen. »Aber er

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