Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Handtuch?«
»Liegt zu Hause in meiner Kühltruhe.«
»Ich nehme es mit zur Spurensicherung«, sagte Island.
Stark stieß unsanft gegen seinen Kaffeebecher. »Glauben Sie, dass das nötig ist? Wir haben keine Hinweise auf ein Verbrechen.«
»Wem oder was könnten wir noch nachgehen?«, erwiderte Island.
»Ich hatte Sie angerufen, damit Sie uns das sagen!« nörgelte Stark, während Polizeiobermeister Gloe stumm seinen Kaffee schlürfte.
»Meine Herren«, versuchte Island es mit freundlicher Gutmütigkeit. »Sie kennen sich in dieser Gegend doch am besten aus. Nehmen wir einmal an, es hat tatsächlich zu besagter Zeit auf der Wiese ein Toter gelegen. Wo könnte sich die Leiche jetzt befinden?«
Auf Klaus Starks Stirn zeigten sich Schweißperlen. Er wühlte in seinen Hosentaschen, zog ein verknülltes Taschentuch hervor und fuhr sich damit über das Gesicht.
»Ehrlich gesagt, sind mein Kollege und ich inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass wir die Frau nicht hätten ernst nehmen sollen«, sagte er. »Sie war betrunken.«
»Sie haben ihr aber geglaubt und die Mordkommission angerufen. Warum?«
Stark winkte ab. »Diese Hitze macht einen ja ganz mall in der Birne. Ich hab ja nicht geahnt, dass gleich jemand aus Kiel anrückt, bloß weil man mal eine Frage stellt.«
Das Stadt-Land-Syndrom, dachte Island. Die Besserwisser aus der Landeshauptstadt kommen vorbei. Das mögen sie auf dem Land nicht so gern. Aber wo sie nun schon mal hier war, hatte sie Lust, die Landeier ein bisschen auf Trab zu bringen.
An der Wand hinter Starks Schreibtisch hing eine Karte, auf der der Landstrich zwischen Kiel, Rendsburg und Neumünster abgebildet war. Drei Autobahnen umklammerten das Gebiet wie ein gleichschenkliges Dreieck. Zwischen Kiel und Rendsburg, nördlich der A 210, wand sich als schmales blaues Band der Nord-Ostsee-Kanal.
Island wuchtete sich vom Stuhl hoch.
»Was ist das für ein Gelände?«, fragte sie und deutete auf das Gebiet westlich des Flemhuder Sees. »Nicht gerade kultivierte Agrarlandschaft, was?«
Stark sah zu seinem Kollegen hinüber. Nervensäge, sagte sein Blick.
»Das sind Spülfelder«, erklärte er dann. »Die benutzt man schon seit hundert Jahren für den Bodenaushub aus dem Kanal. Die Fahrrinne wird ständig vertieft und verbreitert. Erde und Sand müssen schließlich irgendwo bleiben.«
»Und die Betontrümmer, die man auf dem Weg dorthin sieht?«
»Das sind Bunkerreste aus dem Krieg.«
»Könnten Sie mir das etwas genauer erklären?«
»Sehen wir aus wie Heimatforscher, oder was?«, fragte Stark gereizt.
Polizeiobermeister Kevin Gloe, bis eben ganz in seinen Kaffee vertieft, schien aus seiner Schläfrigkeit zu erwachen. »Das hat mit dem Öllager zu tun.«
»Na, dann verklicker das mal der Mordkommissarin«, sagte Stark.
Eindeutig Heuschnupfen, dachte Island. Cholerischer Allergiker mit Neigung zu leichten Missstimmungen.
Gloe fuhr sich über die kurz geschnittenen Haare. Das Oberlippenbärtchen über seinen kindlich vollen Lippen zuckte. So wie er aussah, hätte er gerade frisch von der Bundeswehr hereingeschneit oder Moderator irgendeines Musiksenders sein können. Wer wusste schon, was an modischen Entgleisungen bei der Jugend gerade hip war?
»Im Zweiten Weltkrieg ließ die deutsche Wehrmacht am Flemhuder See eine Lagerstätte für Schweröl errichten«, begann er. »Das Lager sollte die Versorgung der Kriegsmarine im Kieler Hafen mit Diesel und Heizöl sicherstellen. Deshalb gab es den Plan, den Kraftstoff über eine Pipeline vom Flemhuder See aus direkt bis nach Kiel zu pumpen. Das Schweröl kam mit Güterwaggons per Schiene in das Lager. Dort wurde es in einer Wärmehalle verflüssigt und in die großen Öltanks gepumpt. Die Reste dieser Ölerwärmungshalle, die einmal über zweihundert Meter lang war, stehen noch auf dem Gelände.«
»Das Gebiet ist abgesperrt«, warf Stark ein. »Da kommt keiner rein.«
Gloe ignorierte die Bemerkung. »Im Boden befinden sich an vielen Stellen noch Überbleibsel der alten Bebauung des Öllagers«, fuhr er fort. »Bunkerreste, Fundamente von Gebäuden, Rohrleitungen und Relikte der großen Öltanks. Die Alliierten haben die Anlage bombardiert, und nach dem Krieg hat man Sprengungen vorgenommen. Aber die Halle haben sie stehen lassen, als Kriegsruine.«
»Woher wissen Sie das alles?«, fragte Island interessiert.
Kevin Gloe wiegte die leere Kaffeetasse. »Meine Großmutter hat immer davon erzählt. Auch von den Zwangsarbeitern, die in der
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