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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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Tante war einverstanden.
    Hinter einer an Land gezogenen Jolle zogen sie sich um. Tante Thea war als Erste im Wasser.
    »Herrrlich!«, schrie sie verzückt und schwamm sofort los.
    Das Meer war kühl und flaschengrün.
    Olga brauchte ein bisschen länger, bis sie das erste Mal untertauchte. Dann watete sie gemächlich hinaus bis zur ersten Sandbank. Im tieferen Wasser schwamm sie ein paar Mal hin und her und fühlte sich rund und zufrieden wie eine Seekuh. Sie genoss das seit Kindheitstagen vertraute Gefühl von Salzwasser in der Nase und die unscharfen Lichtflecken auf dem sandigen Grund. Ein paar Minuten lang dachte sie einfach an gar nichts und gab sich ganz den Bewegungen der Wellen hin. Dann fiel ihr plötzlich das Schreiben von Hans-Hagen Hansen wieder ein. Sie verließ das Wasser, trocknete sich ab und wählte Hansens Nummer.
    Diesmal hatte sie mehr Glück.
    »Olga hier, ich sollte dich anrufen.«
    »Hallo, ich wollte dir das vorläufige Ergebnis der Blutuntersuchung mitteilen.«
    »Sprich.« Island sah sich nach ihrer Tante um, die so weit hinausgeschwommen war, dass ihr Kopf nur noch ein kleiner Punkt draußen in den Wellen war.
    »Es handelt sich um menschliches Blut der Blutgruppe A, Rhesusfaktor positiv. Dieser Blutgruppe werden weltweit vierunddreißig Prozent aller Menschen zugerechnet.«
    »Also nichts Besonderes?«
    »Bis jetzt weiß ich noch nicht mehr. Aber ich melde mich, sobald ich etwas habe.«
    Island bedankte sich und zog sich an. Nach einiger Zeit kehrte auch Thea von ihrem waghalsigen Schwimmausflug zurück.
    »Wunderbar«, sagte sie immer wieder, während sie sich abtrocknete. »Ganz wunderbar.«
    Nach dem Bad ergatterten sie einen Platz in einem Strandkorb vor einer Bar mit dem klingenden Namen »Anima e Corpo«. Olga bestellte sich einen großen Tapasteller, während Thea einen Liter Rotwein und Oliven orderte. Das erste Glas Wein leerte sie in einem Zug. Sie erzählte von Berlin, von ihrem Wohnprojekt im Wedding, von ihrer Theatergruppe, die bis Oktober Sommerpause machte, und von Manfred, ihrem letzten Verehrer, den sie, seinem frisch geborenen Enkel sei Dank, gerade zum Teufel geschickt hatte.
    »Er hat wirklich eine unmögliche Tochter«, zeterte sie. »Und außerdem ist er jedem Konflikt aus dem Weg gegangen. Na bitte, soll er doch, aber ohne mich.« Sie steckte sich wieder einen Zigarillo an und paffte wütende Wölkchen.
    Einen Moment lang schwiegen beide und sahen über das Dünengras hinweg einem Segelboot zu, das in der Abendflaute in der Nähe des Ufers vor sich hin dümpelte.
    »Was ist denn eigentlich aus der Sache mit deinem Kollegen geworden, von dem du erzählt hattest, als wir in Berlin zusammen gezecht haben?«, fragte Thea, als sie sich nach ein paar weiteren Schlucken Rotwein wieder etwas beruhigt hatte.
    Olgas Herz tat einen kleinen verräterischen Satz. Hatte sie Thea gegenüber bei ihrem Weihnachtsbesuch in Berlin wirklich diesen vermaledeiten Absturz erwähnt? Sie konnte sich gar nicht erinnern, irgendetwas von dieser Nacht erzählt zu haben. So lässig wie möglich zuckte sie die Schultern.
    »Was soll mit dem sein?«
    »Ich mein ja nur, so ein Polizeibeamter ist doch wenigstens was Reelles. Nicht wie so ein Künstler. Wie heißt er noch mal, dein Künstler?«
    »Lorenz.«
    »Wo steckt er überhaupt? Wenn ich dich treffe, ist er nie da.«
    »Er arbeitet gerade in Italien. Aber nach dem Sommer zieht er nach Kiel.«
    »Wer’s glaubt, wird selig«, meinte Thea verächtlich und schnaubte laut. »Nu guck mich nicht so an. Wenn du meinst, dass er der Richtige ist, kann man nichts machen.«
    »Er ist der Vater«, sagte Olga und strich sich über den Bauch.
    »Besonders engagiert erscheint er mir bis jetzt aber nicht zu sein.«
    »Doch, schon … Das kommt noch.«
    Thea seufzte. »Du weißt ja selbst am besten, wie es ist, ohne Vater aufzuwachsen.«
    »Danke für die Blumen«, sagte Olga und kaute missmutig auf einer Erbsenschote in Knoblauchöl.
    Während die Sonne sich senkte und Wasser, Strandkörbe und Dünen in ein flammendes Goldrot tauchte, fanden sie glücklicherweise noch erfreulichere Gesprächsthemen als Männer. Thea berichtete von weiteren Kreativitäten, die sie im Frühjahr in den Bann gezogen hatten, und ging, als die Weinflasche leer war, über zu Anekdoten aus der Vergangenheit.
    Gegen elf Uhr fuhren sie nach Kiel zurück. Olga ließ Thea samt Rollkoffer und Wohnungsschlüssel vor ihrem Haus aussteigen und drehte auf der Suche nach einem Parkplatz

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