Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
will fit sein, wenn Rudolf am Wochenende kommt. Er wird im Maritim wohnen, das ist ja nicht weit.«
Olga nippte an ihrem Ingwertee. »Meinst du denn, er meldet sich?«
»Wenn nicht: Ich habe seine Handynummer!«
»Wie kannst du dir so sicher sein, dass er dich wiedersehen möchte?«
»Weibliche Intuition.« Thea grinste. »Wir waren beide im Speisewagen, und er hat immer so zu mir rübergeguckt. Aber er hat sich nicht getraut, mich anzusprechen. Da bin ich ihm zuvorgekommen. Seine Frau hat sich vor einem Jahr von ihm getrennt. Er ist total schüchtern.«
»Auf dem Schiff kann er doch schon gleich wieder jemanden kennenlernen.«
»In der Ferienzeit sind doch sowieso nur Familien an Bord. Und überhaupt. Wer hat dich denn mitten in der Nacht angerufen?«
»Das war dienstlich.«
»Aha. Aber sofort los musstest du offenbar nicht.«
»Es war ein merkwürdiger Anruf.« Olga schüttete Müsli in ein Schälchen, goss Milch dazu und rührte um. »Von einer Frau, die ihren Namen nicht sagen wollte. Hat wohl etwas mit einem Fall zu tun, der mich gerade beschäftigt. Aber bisher ist gar nicht klar, ob es überhaupt ein Fall ist.«
»Tatsächlich? Wie aufregend! Erzähl.«
»Ich möchte nicht über meine Arbeit sprechen.«
Thea schmierte sich ihre zweite Scheibe Toast. Sie bestrich sie mit Biohimbeermarmelade, die sie eigens aus Berlin mitgebracht hatte.
»Wenn es gar kein Fall ist, kannst du doch eine Ausnahme machen. Du weißt ja, reden hilft, die Gedanken zu sortieren.«
Island seufzte und begann zu erzählen. Als sie geendet hatte, wiegte Thea den Kopf.
»Gut Kreihorst am Flemhuder See«, sagte sie nachdenklich. »Du wirst lachen, aber da kannte ich mal jemanden.«
Olga schnaubte spöttisch. »Das wundert mich nicht. Du kennst ja Gott und die Welt.«
»In Berlin noch nicht. Aber auf Kreihorst, da wohnte früher Luise Lembke. Vor fünf Jahren habe ich das letzte Mal mit ihr gesprochen.«
»Lembke. Das hört sich ja nicht gerade nach altem Adel an.«
»Luises Mann war früher Verwalter auf dem Gutshof. Die Lembkes haben das alte Inspektorenhaus bewohnt und Zimmer an Feriengäste vermietet. So wie ich damals in Laboe. Wir haben uns bei einem Seminar der Touristinformation Kiel kennengelernt. Marketing für Privatvermieter der Region. Luise war immer sehr nett. Eigentlich schade, dass wir uns aus den Augen verloren haben.«
»Warst du denn mal bei ihr auf dem Hof?«
»Sie hat mich in Laboe besucht, und einmal habe ich sie abgeholt, um mit ihr zur Landesgartenschau nach Schleswig zu fahren. Bei der Gelegenheit hatte sie mir ihren eigenen Garten am Haus gezeigt. Ganz entzückend war der angelegt!«
Olga schob die leere Müslischale von sich.
»War das Anwesen damals auch schon so gesichert, mit hohen Zäunen und Natodraht?«
Thea musste nicht lange überlegen. »Überhaupt nicht. Bis auf Luises Garten hat damals alles eher verlottert ausgesehen. Die Wildschweine der Umgebung zogen in Rotten durch die Allee. Keiner hat sie bejagt. Alles wirkte ein bisschen verfallen.« Thea blickte versonnen aus dem Fenster. »Wenn dich das Ganze so brennend interessiert, dann sollte ich Luise vielleicht mal anrufen, ob du bei ihr vorbeikommen kannst. Da hat sie sicher nichts dagegen.«
Olga fingerte ein paar Rosinen aus der Müslipackung und steckte sie in den Mund. »Super, ich hätte große Lust, mir das Gut näher anzusehen.« Da kam ihr ein Gedanke. Er erschien ihr schon ein bisschen verrückt, aber warum eigentlich nicht? »Oder frag Luise doch mal, ob bei ihr zufällig gerade ein Zimmer frei ist.«
»Wieso? Für wen?«
Olga blickte ihrer Tante in die für die frühe Morgenstunde erstaunlich wachen Augen. Faszinierenderweise hatte der Rotwein vom Vorabend keine erkennbaren Spuren bei ihr hinterlassen. Wenn Thea ihr das nur vererbt hätte.
»Ich könnte so tun, als ob ich Urlaub mache, und mir die ganze merkwürdige Gegend mal ansehen. Die Spülfelder und das alte Öllager. Vielleicht ergibt sich ein Zusammenhang mit dem verschwundenen Mann. Würde es dir etwas ausmachen, ein paar Tage meine Wohnung zu hüten?«
Thea schüttelte den Kopf und lächelte breit. »Im Gegenteil. Wir hätten dann viel weniger Gelegenheit, uns gegenseitig auf den Wecker zu gehen. Und ich könnte während deiner Abwesenheit deine Blume gießen.«
Island musste lachen. Es gab in der ganzen Wohnung wirklich nur die einsame Dieffenbachie aus der Dienststelle. Ansonsten besaß sie nichts Grünes. Sie hatte alle Pflanzen in Berlin
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