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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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ihre Runden. Es war fast wie in Berlin. Alles war komplett zugeparkt. Als sie endlich zu Hause ankam, hatte Thea sich schon häuslich eingerichtet. Sie hatte eine weitere Flasche Rotwein entkorkt und diese schon wieder halb geleert. Gegen Mitternacht lagen sie endlich beide in den Federn. Tante Thea im frisch bezogenen Bett im Schlafzimmer, Olga auf dem buckligen Sofa im Wohnzimmer. Sie war so müde und erschöpft, dass sie trotzdem sofort einschlief.

13
    E s war noch dunkel, als sich gegen halb drei nachts das Handy auf dem Wohnzimmertisch meldete. Island schaffte es, die Melodie von »When I’m Sixty-Four« noch eine Weile in ihren Traum einzubauen. Sie fuhr auf einem Motorrad eine schmale, gewundene Straße entlang. Jan Dutzen saß hinter ihr, hatte die Arme um ihre Hüften gelegt und schmiegte sich an sie. Sie trugen beide keinen Helm, und sie fühlte die Wärme seines Atems an ihrem Hals. Als er ihren Nacken küsste, spürte sie seine Bartstoppeln auf der Haut. Sie wollte alles, nur nicht aufwachen.
    »Was ist los?«, fragte sie schlaftrunken.
    »Ich muss Ihnen etwas sagen.« Die Stimme klang verzweifelt.
    »Mit wem spreche ich?« Island fuhr sich mit der Hand über Augen und Stirn, ihr Kopf funktionierte noch nicht richtig.
    Am anderen Ende der Leitung war es totenstill.
    »Worum geht es denn?«
    »Es ist wegen dem Mann am See …« Es war eine Frauenstimme, undeutlich, verwaschen. Plötzlich war Island hellwach. Eine Vermutung schoss ihr durch den Kopf.
    »Frau Marxen?«
    »Nein, das bin ich nicht.«
    »Was ist mit dem Mann?«, fragte Island ungeduldig.
    »Wir wollten uns treffen.«
    »Mit wem wollten Sie sich treffen?«
    Ein Schnaufen war zu hören. »Ich glaube, ihm ist was Schreckliches passiert.«
    »Wem denn? Sagen Sie mir doch bitte, was ich für Sie tun kann.«
    »Der Gutshof, ich meine, Kreihorst …«
    »Was ist damit?«
    »Er … er ist da nicht mehr.«
    »Wer denn, verdammt noch mal?«
    »Sie haben ihn umgebracht.«
    Ein Schluchzen war zu hören, dann ein Klicken. Die Frau am anderen Ende der Leitung hatte aufgelegt.
    Olga Island lag auf dem Sofa und starrte in die Morgendämmerung, die langsam durch den bunten Ikea-Vorhang vor dem Fenster zu sickern begann und die Nacht vertrieb. War die Anruferin betrunken gewesen? Wie war sie an ihre Nummer gelangt? Zurückrufen konnte sie sie nicht, die Nummer der Fremden war nicht angezeigt worden.
    Island schloss die Augen und sah vor sich den See, die Spülfelder und den Kanal. Sie dachte an die Sache mit dem Öllager, an das Munitionsräumkommando – ein gefährlicher Job. Sie hatte das bohrende Gefühl, dass sie sich auf dem Gutshof einmal genau umsehen sollte. Denn sie konnte es nur schlecht ertragen, wenn jemand einfach so verschwand. Vielleicht lag das daran, dass auch ihre Mutter verschwunden war, als sie ein kleines Kind gewesen war. Anfang der Siebzigerjahre war Inga Island von einer Reise nach Südamerika nicht zurückgekehrt.
    Olga Island lag wach und konnte nicht wieder einschlafen. Sie hörte ihre Tante im Schlafzimmer schnarchen. Wie lange wollte Thea eigentlich bleiben? Sie hoffte inständig, dass dieser Rudolf sich bald melden würde, dann hätte ihre Tante Gesellschaft und wäre beschäftigt.
    Gegen halb fünf stand sie auf, schaltete ihren Laptop ein und las die Nachrichten der Nacht. In der Online-Ausgabe der Kieler Tageszeitung wurde über das Geschehen im Ostuferhafen berichtet, undramatisch und knapp. Island öffnete ihr Mailprogramm und schrieb ein paar Zeilen an Lorenz. Eigentlich war sie viel zu müde, und alles, was sie tippte, erschien ihr unpassend. Aber sie wollte nicht immer nur auf seine Anrufe warten.
    Um kurz vor sechs duschte sie und zog sich an. Sie wusste, dass sie die Thrombosestrümpfe anziehen sollte, entschied dann aber, dass es auf einen Tag mehr oder weniger nun auch nicht ankam. Stattdessen schlüpfte sie ohne Strümpfe in ihre Flipflops mit der Sonnenblume zwischen den Zehen. Sie ging in die Küche und versuchte, so leise wie möglich einen Tee aufzubrühen. Aber schon wenig später stand Thea putzmunter im Türrahmen und verlangte nach Kaffee und Toastbrot. Ihre Nordic-Walking-Stöcke, die sich teleskopartig entfalten ließen und so in jeden Koffer passten, hatte sie schon im Flur bereitgestellt. Sie trug ein ärmelloses T-Shirt und kurze, enge Radlerhosen.
    »Nach dem Frühstück werde ich erst mal eine Runde walken«, sagte sie und sah zu, wie Olga zwei Scheiben in den Toaster steckte und Kaffee aufgoss. »Ich

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