Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
hat sich wohl auch früher schon immer mal wieder eine Zeit lang herumgetrieben.«
»Bahnhofsszene in Kiel oder Hamburg?«
Franzen schüttelte den Kopf. »Hatte noch keine Gelegenheit, mich da umzuhören.«
»Nimmt sie Drogen?«
»Keine Ahnung. Der Bewährungshelfer hat nur berichtetet, dass sie beim letzten Mal, als sie vom Gutshof abgehauen ist, ein paar Wochen in einem Zelt gehaust haben soll. Und rate mal, wo?«
»Sag schon.«
»Auf den Spülfeldern am Flemhuder See. Sie hatte sich eine abgelegene Stelle gesucht und sich von Sachen ernährt, die sie in der Natur fand oder aus den Gärten der umliegenden Dörfer geklaut hat. Den Sommer über hat das gut funktioniert. Im Herbst ist sie auf das Gut zurückgekehrt. Nach einigen Diskussionen mit der Gutsverwaltung durfte sie ihre Ausbildung fortführen und wieder im Stall arbeiten. Theodor Tüx persönlich soll sich für sie eingesetzt haben.«
»Irgendwie verstehe ich die Einstellung auf diesem Hof nicht. Einerseits grenzt man sich ganz massiv nach außen ab. Andererseits holt man ausgerechnet Straffällige herein. Cord Petersen ist doch bestimmt auch ein Exknacki, oder nicht?«
Franzen nickte. »Ja, er hat in Schleswig eingesessen. Drei Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Er hat vor einer Diskothek in Rendsburg in einem Streit einen jungen Mann erstochen.«
Olga hatte das Brötchen aufgegessen. Zwar behagte es ihr nicht, Hansen sein Frühstück wegzufuttern, trotzdem konnte sie nicht widerstehen und nahm sich ein zweites. Sie würde es irgendwann wiedergutmachen.
»Weißt du, was ich gerade denke?«, sagte Franzen nachdenklich. »Lissy könnte eine wichtige Zeugin sein.«
»Ja, sicher.«
»In Felde wohnen Freunde von mir, bei denen ich mir ein Pferd ausleihen kann. Ich könnte die Spülflächen abreiten und gucken, ob Lissy sich wieder dort versteckt hält.«
»Das ist doch viel zu gefährlich!«
»Ach was. Ich hätte voll Lust auf einen Ausritt. Ich mache sowieso den ganzen Tag zu viel Verwaltungskram.«
»Stimmt, du arbeitest wirklich viel im Moment.«
»Ende August habe ich aber ein paar Tage frei. Darauf freu ich mich total.«
»Willst du verreisen?«
»Nein«, sagte Franzen und zwinkerte geheimnisvoll. »Ich bleibe hier. Es steht eine Familienfeier an. Ich hoffe nur, dass dann auch noch so tolles Wetter ist.«
»Unwahrscheinlich.«
»Aber hoffen kann man ja.«
Sie schwiegen einen kurzen Moment.
»Was ich dich noch fragen wollte …«, begann Franzen.
Hans-Hagen Hansen kam mit einer Tasche in der Hand aus dem Kühlhaus und steuerte auf den Bus zu.
»Ja?«, meinte Island.
»Ach, nichts. Obwohl, sag mal, wollen wir uns nicht mal irgendwo treffen, um in Ruhe zu quatschen?«
»Gern.«
»Kennst du den Fischmeister in Wrohe am Westensee?«
»Das Restaurant? Klar.«
»Okay, heute Abend um acht dort auf der Terrasse?«
»Gut, bis dann.«
37
Z urück auf ihrem Zimmer im Gutshaus, sperrte Olga Island die beiden Fenster auf und atmete tief durch. Die Mittagssonne schien auf den Rasen des englischen Landschaftsgartens, und die Schatten der Bäume gaben der gestalteten Landschaft ein bühnenbildhaftes Aussehen. Von der Terrasse drangen Stimmen herauf. Island lugte über die breite Fensterbank hinunter. Auf dem großen Holztisch standen wieder die Reste eines späten Frühstücks. Die jungen Leute, Island zählte drei Jungen und zwei Mädchen, fläzten sich in die Polster der Flechtsessel. Nur Thoralf Bruns saß aufrecht auf einem Stuhl an der Stirnseite des Tisches.
Island nahm auf dem Sofa unter den geöffneten Fensterflügeln Platz, legte die Füße auf die Armlehne und spitzte die Ohren.
»Wann haben Sie Cord Petersen das letzte Mal gesehen?« Bruns’ Stimme war klar und deutlich zu verstehen.
»Keine Ahnung.«
»Den kenn ich gar nicht.«
»Der Typ aus dem Stall, Mensch.«
»Ach so, der ist tot?«
»Hat er nicht gestern noch den Pool geschrubbt?«
»Das hat der doch jeden Abend gemacht.«
»Stimmt. Kann sein.«
»Wer achtet schon darauf, was das Personal macht?«
»Also, ich nicht.«
»Wer von Ihnen hat denn mit Cord Petersen gelegentlich doch mal ein paar Worte gewechselt?«
Stille.
»Also niemand?«
»Ganz selten«, sagte eine dünne, weibliche Stimme. »Wenn wir reiten wollten, hat er uns mit den Pferden geholfen.«
»Satteln und Auftrensen«, sagte das andere Mädchen.
»Und die Herren?«
Es entstand eine Pause.
Bruns räusperte sich ungeduldig.
»Und wie war das bei Jon Theissen?«
»Kenn ich auch
Weitere Kostenlose Bücher