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Kandide oder die beste aller Welten

Kandide oder die beste aller Welten

Titel: Kandide oder die beste aller Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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hatte an den fünfzigtausend Livres, die Kandide in dem Spiel verloren hatte und an den beiden Brillanten, die halb geschenkt, halb abgedrungen waren, nur sehr geringen Anteil gehabt.
    Der Herr Abbé, der jetzt einen tüchtigen Schnitt zu machen dachte, war bemüht, sich bei Kandiden immer mehr einzulieblen, schwatzte ihm viel von Kunegunden vor, und Kandide sagte: er wollte ihr auf den Knien auf's herzinnigste seine Untreue abbitten, wenn er sie zu Venedig sähe.
    Der Abbé verdoppelte seine Höflichkeit und seine Aufmerksamkeit, nahm an alle dem, was Kandide sagte, tat, ja noch tun wollte, den wärmsten Anteil.
    So haben Sie mit ihr ein Rendezvous zu Venedig verabredet? fragte er. „Das hab' ich, lieber Abbé; ich muß platterdings mein Gundchen wiederfinden." Das Vergnügen, von seiner Geliebten sprechen zu können, riß ihn hin, und er erzählte, nach seiner löblichen Gewohnheit, einen Teil seiner Abenteuer mit dieser berühmten Westfalin.
    Baroneß Kunegunde hat zweifelsohne viel Geist, sagte der Abbé, und schreibt treffliche Briefe. „Was ich nicht sagen kann! Ich habe nie welche von ihr bekommen. Als ich wegen meiner Liebe zu ihr war aus dem Schlosse gejagt worden, könnt' ich nicht an sie schreiben; bald darauf erfuhr' ich, sie sei tot, hernach fand ich sie wieder, und verlor sie plötzlich, und jetzt habe ich ihr zweitausendfünfhundert Meilen von hier einen Expressen gesandt, dessen Antwort ich erwarte."
    Der Abbé hörte aufmerksam zu und schien ein wenig staunend. Bald darauf nahm er mit der zärtlichsten Umarmung von den beiden Fremden Abschied. Den folgenden Morgen erhielt Kandide einen Brief, folgendermaßen abgefaßt: „Mein Bester, seit acht Tagen lieg ich hier krank. Jetzt eben vernehm ich, daß Sie hier sind. Trügen mich meine Beine, so flög ich in Ihre Arme. Zu Bordeaux erfuhr ich, wohin Sie sich gewandt hatten; ich habe den treuen Kakambo und die Alte dort gelassen, die bald hier eintreffen müssen. Der Gouverneur von Buenos Aires hat mir alles genommen, aber Ihr Herz bleibt mir noch übrig. Kommen Sie, Ihre Gegenwart schenkt mir entweder das Leben wieder oder tötet mich vor Vergnügen."
    Ihre Kunegunde
    Dieser entzückende, unverhoffte Brief machte Kandiden ganz berauscht vor Freude, allein die Unpäßlichkeit seiner Lieben schlug ihn äußerst nieder. Ein Spielball dieser beiden Empfindungen nahm er sein Gold und seine Diamanten und ließ sich samt Martinen in das Hotel führen, worin Baroneß Gundchen logierte.
    Mit hochklopfendem Herzen, an jedem Gliede vor Vergnügen zitternd und mit bebender Stimme stürzt er in ihr Zimmer, wollte die Bettvorhänge aufreißen, wollte Licht haben. Um Gottes willen nicht! 's ist dem Gnädigen Fräulein nichts schädlicher wie's Licht! schrie die Magd, und ritz-ratz! wurden die Vorhänge dicht fest wieder zugezogen.
    Was machen Sie, liebste Kunegunde? sagte Kandide mit einem Strom von Tränen. Lassen Sie mich doch wenigstens Ihre Stimme hören, da ich Ihr Gesicht nicht sehen darf. Ja, sprechen darf meine gnädige Herrschaft auch nicht, sagte das Mädchen. Die Dame streckte eine runde, fleischichte Hand zum Bette hinaus, die Kandide lange mit Tränen benetzte, und hernach mit Diamanten anfüllte; auf den Stuhl neben ihrem Bette hatt' er einen Beutel mit Gold hingelegt.
    Kandide schwamm in Liebeswonne, als ein Gefreiter mit etlichen Mann hereintrat, der Abbé begleitete ihn. Das sind also die beiden verdächtigen Fremden? sagte ersterer. Sogleich bemächtigte man sich ihrer, und die Muskoten waren auf dem Sprunge, sie ins Gefängnis zu schleppen.
    So begegnet man in Eldorado den Fremden nicht, sagte Kandide. Ha! ich bin mehr Manichäer denn je, rief Martin. Aber mein Herr, wo führen Sie uns hin? sagte Kandide. In ein tiefes Loch unter der Erde, antwortete der Gefreite.
    Martin, der all' seine Kaltblütigkeit wieder hatte, schloß, die vorgebliche Baroneß Kunegunde sei eine Betrügerin, der Herr Abbé, der sich Kandidens Treuherzigkeit aufs schleunigste zu Nutze gemacht hatte, und der Gefreite ein andrer Spitzbube, den man leicht loswerden könnte.
    Ehe Kandide die Sache zu gerichtlichen Weitläufigkeiten gedeihen ließ, bot er auf Anraten Martins und seines Herzens, das sich äußerst nach der wahren Kunegunde sehnte, dem Gefreiten drei kleine Diamanten an; jeder ungefähr dreitausend Dublonen wert.
    O mein Herr, schrie der Mann mit dem elfenbeinernen Stabe, und hätten Sie auch Allerweltsmissetaten begangen, so sind Sie doch der bravste Kavalier auf

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