Kann das auch für immer sein?: Sommerflirt 3 (German Edition)
jedenfalls unser ganzer Tisch, dass ich mit Avi zusammen bin. Ich gebe mir Mühe, während des Essens nicht allzu oft zu ihm rüberzugucken, doch es gelingt mir nicht. Ein paarmal ertappe ich ihn dabei, wie er auch zu mir schaut, doch sobald sich unsere Blicke treffen, sieht er schnell weg.
Das läuft ganz und gar nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ist es am Ende ein riesiger Fehler gewesen herzukommen?
Nachdem wir gegessen und die Reste auf unseren Tellern in die großen Mülltonnen geleert haben (in denen keine Tüten drin sind, was die Frage aufwirft, wie sie die Dinger wieder sauber kriegen), dürfen wir in unsere Kasernen. Ich versuche, noch ein bisschen Zeit zu schinden, in der Hoffnung, ein paar Worte mit Avi wechseln zu können, doch Ronit kommt mit total finsterer Miene auf mich zu.
»Amy?«, sagt sie.
»Ja.«
»Komm mit.«
9
Es wundert mich nicht, dass derjenige, der die Liegestütze erfunden hat, sich nie gemeldet hat, um Anspruch auf seine Erfindung zu erheben.
Ronit führt mich von den anderen weg. Ich folge meiner Ausbilderin auf offenes Gelände abseits der Kasernen, wo uns zu meinem Erstaunen Avi und Sergeant B-S erwarten. Avi steht stramm.
»Stell dich neben Avi«, befiehlt mir Ronit.
Ich muss Avi aus dem Schlamassel rausboxen. Schließlich bin ich diejenige, die sich in den Grauzonen des Lebens tummelt, nicht Avi, also sollte er auch keinen Ärger bekommen.
»Wir sind sehr enttäuscht von euch beiden«, beginnt Ronit.
»Es war mein Fehler«, gebe ich meiner Vorgesetzten gegenüber zu. »Ich wollte unbedingt kurz ungestört mit ihm re…«
Mit wutverzerrtem Gesicht (das gerade den dunklen Rotton einer überreifen Tomate angenommen hat) fährt Sergeant B-S mit strenger, lauter Stimme dazwischen: »Sprechen Sie nur, wenn Sie dazu aufgefordert wer-den!«
»Aber er –«
»Die!« (Letzten Januar habe ich gelernt, dass die auf Hebräisch »stopp, das reicht!« bedeutet … denn Avi hat zu meinem Hund die gesagt, als der ihn im Schritt anschnüffeln wollte. Erst dachte ich, er wäre voll daneben und möchte, dass mein Hund stirbt, dabei hat er nur einen Befehl erteilt.)
Okay, Zeit den Mund zu halten, damit ich Avi oder mich nicht noch tiefer reinreite.
Sergeant B-S tritt zwischen Avi und mich. Er erteilt Avi auf Hebräisch einen Befehl und sagt: »Gefen, Kadima! « Dann wendet er sich an mich. »Ihre Aufgabe wird sein, ihm zuzusehen. Kommen Sie.« Er schiebt mich ein, zwei Meter vor meinen Freund, sodass ich ihm Auge in Auge gegenüberstehe.
»Ihm zusehen?«, frage ich.
»Ja. Einfach dastehen und zusehen.«
Wenn ich protestiere, gebe ich ihm damit nur wieder einen Grund, mich anzuschreien.
Avi, stets der gehorsame Soldat, begibt sich hinunter auf den Schotter und macht einen Liegestütz, dann steht er auf und sieht mir in die Augen. Diese Liegestütze-aufstehen-Übung wiederholt er ein ums andere Mal, und jedes Mal, wenn er sich hinstellt, sieht er mir in die Augen. Wir dürfen nicht sprechen, sodass wir nur durch Blicke kommunizieren können.
Avis gerader, direkter Blick sagt mir, dass es ihm gut geht … er ist stark und es ist alles in Ordnung.
Ich fühle mich absolut mies und frage mich, wann er endlich aufhören darf.
Fünf Minuten später ist Avi immer noch gut in Form, obwohl ihm das Gewehr, das er auf den Rücken geschnallt hat, bestimmt wehtut und er schon Striemen davon hat. Seine Handflächen sind sicher auch ganz wund und blutig vom Kies, aber er lässt sich nichts anmerken.
Ich hasse es, das ansehen zu müssen. Endlich kühlt es ein wenig ab, doch ich schwitze wieder. Jedes Mal, wenn er zum nächsten Liegestütz ansetzt, zucke ich zusammen, und wenn er aufsteht, würde ich ihm am liebsten sagen, dass es mir leidtut und dass ich so etwas nie wieder machen werde. Nach zehn Minuten schlucke ich die Tränen hinunter und werfe dem Sergeant einen flehenden Blick zu. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt, und es macht nicht den Anschein, als hätte er vor, Avi demnächst zu erlösen.
Ich weiß, dass Avi Schmerzen hat, auch wenn man es ihm rein äußerlich nicht ansehen kann. Ich erkenne es daran, dass er mir nicht mehr in die Augen sieht, wenn er zwischen den Liegestützen aufsteht. Er blickt zwar geradeaus, aber er schaut mich nicht an … sondern durch mich hindurch. Er hat innerlich völlig abgeschaltet und funktioniert nur noch wie ein Roboter. Es grenzt an ein Wunder, dass er sein Abendessen noch nicht rausgekotzt hat. Ich jedenfalls fühle mich so, als
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