Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Titel: Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Wolf
Vom Netzwerk:
Julia denken. Nicht an unseren Kuss denken. Nicht an den Kuss zwischen ihnen denken. Und nicht jedes Mal diesen Schmerz verspüren.
    Ohne genau zu wissen, was ich eigentlich tue, fahre ich meinen Computer hoch und beginne, Probetexte von mir zu einer PDF-Datei zusammenzufassen. Ich schreibe einen Lebenslauf, lade beide Dateien als E-Mail-Anhang hoch und schicke sie ab. Zufrieden betrachte ich meinen Bildschirm, auf dem ein Fenster aufpoppt: Nachricht erfolgreich versendet. Der Adressat ist Herr Rosendaal, Chefredakteur der München Aktuell.
    Obwohl ich mich totstelle, hört an diesem Abend das Klingeln an meiner Haustür nicht auf. Nur Caruso verspürt den Drang, den Besucher zu begrüßen, und kläfft leise. »Wir sind nicht da«, erkläre ich ihm im Flüsterton und kraule ihn hinter den Ohren. Wieder klingelt es, und mein Hund zuckt unruhig. Ich tue weiterhin so, als sei ich taub, doch dann beginnt mein Handy zu vibrieren und über meinen Couchtisch auf mich zuzurobben. Jetzt werde ich doch neugierig und werfe einen Blick auf das Display. Severin! Mein Herz beginnt wie wild zu klopfen. Ich atme tief durch. Nur nicht aufgeregt klingen!
    »Ja?«, melde ich mich betont lässig.
    »Hi!« Okay, mit meiner Coolness ist es sofort vorbei, als ich seine Stimme höre. Selbst im Sitzen bekomme ich weiche Knie. »Bist du nicht zu Hause?«
    »Ähm, doch. Ich, also, ich war gerade im Bad. Warum? Hast du versucht zu klingeln?«
    »Ja. Dein Hund hat auch gebellt. Hast du ihn etwa nicht gehört?«
    »Nein. Ich hatte Musik an«, stammele ich. O Mann, gilt lügen wirklich schon als Sünde? Wenn ja, dann wandere ich langsam, aber sicher direkt in die Hölle.
    »Kommst du zu mir runter?«
    »Warum? Willst du nicht hoch kommen?«
    »Nein, ich habe eine Überraschung für dich.«
    »Echt? Was denn?«
    »Wenn ich es dir jetzt sage, ist es ja keine Überraschung mehr.« Er lacht, und ich weiß genau, dass er jetzt wieder dieses Funkeln in den Augen hat und sich seine Nase so süß kräuselt dabei.
    »Okay, bin gleich da.« Ich lege auf, werfe einen Blick in den Spiegel, wuschle mir durch die Haare, binde mir einen Pferdeschwanz, mache ihn wieder auf, wuschle mir wieder durch die Haare, binde sie mir wieder zusammen, schmiere mir Labello auf die Lippen, schlüpfe schnell in ein anderes T-Shirt, betrachte mich wieder im Spiegel, drehe mich in alle Richtungen, ziehe das T-Shirt wieder aus, ziehe mein enges Lieblingsshirt an, löse meinen Zopf wieder, kämme mir durch die Haare, schlüpfe in meine Schuhe, schnappe mir meinen Schlüssel, gehe zur Tür. Ich bleibe stehen, drehe wieder um, ziehe meine Schuhe aus und andere an, werfe noch mal einen Blick in den Spiegel, gehe zurück zur Tür und trabe dann die Treppen hinunter. Wo soll ich mit meinen Händen hin? In die Hosentaschen schieben? Die Arme verschränken? Einfach hängen lassen? O Gott, was ist nur los mit mir? Ich benehme mich wie ein alberner Teenager! Ich ziehe die schwere Haustür auf – und da steht er, nur ein paar Schritte von mir entfernt, in seiner Lederjacke, an ein Motorrad gelehnt, und begrüßt mich mit diesem schelmischen Grinsen, das dieses Kribbeln in mir auslöst.
    »Hallo, Kleines«, murmelt Severin mit rauer Stimme, denn er ist plötzlich dicht neben mir und sein Mund an meinem Hals, an meinem Ohr und an meinem Haaransatz. Seine Lippen fahren über meine Kehle, über mein Schlüsselbein, seine Finger legen sich an meinen Hinterkopf und greifen in meine Haare. Seufz. Wer bin ich, wo bin ich und wie viele? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß gerade gar nichts mehr. Nur dass sich das hier sehr, sehr gut anfühlt.
    »Ist diese Begrüßung meine Überraschung?«, schaffe ich es irgendwann zu fragen.
    »Nein. Willst du sie jetzt haben?«
    »Ich weiß nicht. Müssen wir dafür aufhören?«
    Severin lacht leise, und mir jagen Schauer über den Rücken. »Ja, müssen wir. Aber wir können später weitermachen.«
    »Versprochen?«
    »Ja, versprochen.«
    »Okay.« Widerwillig öffne ich meine Augen und trete einen Schritt zurück, um wieder zu Atem zu kommen. Als Severin mir einen Helm in die Hände drückt, sehe ich ihn fragend an. »Soll ich den aufsetzen?«
    »Wäre vorteilhaft.« Er grinst und zieht sich selbst einen Helm auf. »Und keine Angst: Du siehst auch mit Helm immer noch umwerfend aus!« Dann klappt er sein Visier herunter und schwingt sich auf sein Motorrad. Ich folge seinem Beispiel etwas unsicher. Ich habe noch nie auf einem Motorrad gesessen. Höchstens mal auf

Weitere Kostenlose Bücher