Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
sich das Lachen verkneifen muss. »Da musst du was falsch verstanden haben, Papa …« Dann wende ich mich Rosendaal zu. »Ich schreibe für die Stunning Looks«, antworte ich.
»Es ist sehr schwierig, einen Job bei diesem Magazin zu bekommen. Sie müssen außerordentlich gute Referenzen vorweisen können! Wo haben Sie denn studiert und ihre Praktika absolviert?«
»Also ehrlich gesagt habe ich weder mein Studium abgeschlossen noch habe ich irgendwo ein Praktikum gemacht«, gestehe ich und verabschiede mich gedanklich schon mal von dem Gedanken, Interesse bei ihm wecken zu können. Tschüs, liebe Eindruckschinderei!
»Wirklich?« Erstaunt hebt mein Gesprächspartner die Augenbrauen. »Ist ja interessant!« Einen Moment lang isst er schweigend, dann sieht er wieder nachdenklich zu mir. »Sie wissen, dass es bei der Stunning Looks ellenlange Wartelisten potenzieller Bewerberinnen mit exzellenter Ausbildung gibt, die dafür töten würden, um auch nur eine unbezahlte Praktikumsstelle dort antreten zu dürfen?«
»Ja, das habe ich schon gehört.«
»Wie sind Sie denn dann zu Ihrem Posten gekommen?«
»Ach, das war eher Zufall, wissen Sie? Die Chefredakteurin hat ein paar Textproben von mir gelesen, dann habe ich als Krankheitsvertretung für eine der Redakteurinnen einen Artikel schreiben dürfen, der bei den Leserinnen wohl ganz gut angekommen ist. Und dann habe ich das Angebot bekommen, als Kolumnistin für das Magazin zu arbeiten«, ändere ich die reale Version der Ereignisse ein wenig ab.
»Hm. Sehr interessant«, erwidert Herr Rosendaal und beugt sich über seinen Teller. Und damit scheint das Thema vorerst beendet zu sein, denn die Gespräche drehen sich plötzlich wieder um Kindererziehung und Eisenbahnbau.
Es ist schon relativ spät, und mir fallen vor Müdigkeit fast die Augen zu, als mein Vater mich und Moritz endlich zum Gehen auffordert. Wir verabschieden uns der Reihe nach von den Pachulkes, bedanken uns für das gute Essen und gehen dann in den Flur, um uns unsere Jacken anzuziehen.
»Ach, Victoria?«, höre ich hinter mir plötzlich jemanden rufen.
»Ja?«
»Könnten Sie bitte noch mal kurz herkommen?« Ich folge Rosendaals Stimme ins Wohnzimmer, wo er sich gerade aus einem der plüschigen Sessel erhebt. Abwartend sehe ich ihn an. »Ich wollte Ihnen nur noch mal sagen, dass es mich sehr gefreut hat, Sie kennenzulernen und Ihnen meinen Glückwunsch zu Ihrem Posten bei der Stunning Looks auszusprechen. Darf ich fragen, wie Sie Ihre berufliche Zukunft weiter zu gestalten planen?«
»Also … auf jeden Fall möchte ich im journalistischen Bereich bleiben. Am liebsten wäre mir, ich könnte mich zur Redakteurin hocharbeiten.«
»Das wird im Fall der Stunning Looks natürlich nicht ganz einfach sein. Dieses Magazin ist eine Schlangengrube, in der sich die Schlangen nicht selten auch untereinander aufzufressen pflegen!«
Ich nicke und seufze ergeben. »Ja, ich weiß.«
»Es wäre sehr schade, wenn so ein Talent wie Sie in solch einem Verlag verschwendet und vielleicht sogar zugrunde gerichtet werden würde.«
»Warum sind Sie sich so sicher, dass ich Talent habe?«, frage ich verwundert.
»Nun …« Er lächelt. »Glauben Sie mir, wenn Sie tatsächlich so gut mit Evelyn Kern zurechtkommen, wie Sie eben erzählt haben, dann sind Sie ein Talent.«
»Sie kennen Frau Kern?«, frage ich entsetzt.
Rosendaal zuckt mit den Schultern. »In der Branche kennt man sich eben untereinander. Und Evelyn ist nun wirklich niemand Unbekanntes.« Er zwinkert mir zu.
»Ja, da haben Sie wohl recht.«
»Hier.« Er zieht eine Visitenkarte aus seiner Tasche und drückt sie mir in die Hand. »Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir in nächster Zeit ein paar Leseproben zukommen lassen könnten.«
»Sehr … gern …«, stottere ich, ergreife Rosendaals große warme Hand und mache mich glücksselig auf den Heimweg.
Stunning-Looks-Ausgabe: 29
Cover: Doutzen Kroes
Kolumne: ›Papergirl findet, dass …‹
Heute: ›… die Welt der Männer gefliest sein muss.‹
Liebe Stunning-Looks-Leserinnen,
welche Frau kennt das nicht: Der Mann muss aufs stille Örtchen, verschwindet – und ward zwei Stunden nicht mehr gesehen. Während er auf dem Klo sitzt, gucken wir eine ganze Folge unserer Lieblingssoap, lackieren uns die Nägel, telefonieren mit der besten Freundin oder verputzen eine Salamipizza und so weiter und so fort … Und zwar alles nacheinander, anstatt wie sonst gleichzeitig (dank unserer
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