Kann es wirklich Liebe sein
lieben? Das war jedoch schwierig, wenn man seine Nächsten überhaupt nicht kannte.
Ein weiterer Vers kam ihm in den Sinn, ein Vers darüber, dass man sich nicht nur um seine eigenen Interessen, sondern auch um die der anderen kümmern sollte. Travis blätterte durch die fremde und doch gleichzeitig vertraute Bibel ins Neue Testament, wo er beim Römerbrief innehielt.
Zwischen den Seiten lag ein Strohhalm. Ein abgebrochener, kurzer Strohhalm.
Meri hatte ihn aufgehoben.
Er war sich nicht sicher, warum diese Tatsache sein Herz zum Hüpfen brachte, aber sie tat es nichtsdestoweniger. Seine Hand zitterte sogar etwas, als er den Halm aus dem Buch nahm. Das kleine Ding fühlte sich dünn und zerbrechlich an in seinen rauen Fingern. Er strich vorsichtig darüber und dachte an die Ehefrau, die ihm der kurze Strohhalm geschenkt hatte.
Meredith verdiente ein besseres Leben, als jeden Tag abgeschottet auf dieser Ranch sein zu müssen. Wann immer sie über ihren Unterricht am Samstag sprach, hellte sich ihr Gesicht auf. Myra und die Kinder brachten ihr Freude und gaben ihrem Leben einen Sinn außerhalb der täglichen Arbeiten. Und sie hatte auch mit dem recht gehabt, was sie über seine Brüder gesagt hatte. Egal, wie sehr er sich auch wünschte, dass sie bei ihm auf der Ranch blieben, wusste er doch, dass Gott ihnen Träume geschenkt hatte, die sie früher oder später wegführen würden. Jim hatte seine Zimmerei und seine neugefundene Zuneigung zu Cassie. Crockett hatte das Predigen. Und Neill? Nun, der Junge hatte eine Welt voller Möglichkeiten vor sich.
„Travis?“
Er wandte sich zu der schlaftrunkenen Stimme um. Meredith stand in der Tür, ihr Nachthemd umspielte ihre Beine, als sie ins Licht der Lampe trat.
„Ist alles gut?“ Ihre Finger umklammerten das Tuch, das sie sich um die Schultern gelegt hatte.
Travis sprang auf. „Was machst du hier? Du sollst dich doch ausruhen!“ Er überbrückte im Nu die Distanz zwischen ihnen und wollte sie zurück ins Schlafzimmer bringen.
„Ich habe dich vermisst.“ Die gehauchte Erklärung ließ ihn innehalten und seine Gedanken stillstehen.
Sie hatte ihn vermisst? Neben sich? Im Bett?
Seine Augen richteten sich auf ihr Gesicht, um zu sehen, ob er sie vielleicht missverstanden hatte, obwohl sein Herz hoffte, dass das nicht der Fall war. Sie senkte ihren Kopf ein wenig, doch ihm entging das niedliche Rosa nicht, das ihre Wangen färbte.
„Ich … ich habe gefroren.“ Sie konnte ihm immer noch nicht in die Augen schauen und Travis betete, dass seine Körperwärme nicht das Einzige war, das sie an ihm vermisst hatte.
Travis legte seine Hände auf ihre Schultern und streichelte sanft ihre Arme. „Im Winter ist es hier oft kalt“, sagte er leise und wünschte sich, er hätte ihre Gedanken lesen können. „Ich würde dir gerne anbieten, dich regelmäßig zu wärmen. Wenn du das gerne möchtest.“
Sie wandte den Kopf ab und biss sich auf die Unterlippe.
„Meri?“ Er zwang sich dazu, langsam zu atmen, und wartete darauf, dass sie ihn anschaute. Als sie endlich ihre Lider hob, sah er Sehnsucht und Leidenschaft in ihren Augen. Sein Herz klopfte schneller. „Willst du das?“
„Ja.“
Langsam zog er sie an sich und legte seine Lippen auf die ihren. Er streichelte ihre Wangen mit den Daumen und vertiefte den Kuss. Gerade wollte er seine Arme um sie legen und sie fest an sich pressen, als ein Knarren auf dem Flur ihn zur Vernunft brachte.
Travis erinnerte sich selbst daran, dass sie noch viele Jahre zusammen hatten, und löste sich schweren Herzens von ihr. Die Tatsache, dass auch Meredith sich nicht von ihm zurückziehen wollte, hätte seine Entscheidung jedoch fast wieder ins Wanken gebracht.
„Die anderen stehen auf, Meri“, murmelte er heiser. „Warum gehst du nicht zurück ins Bett? Die Jungs und ich können uns heute Morgen selbst um das Essen kümmern.“
„Es macht mir nichts aus, das Essen vorzubereiten, Travis. Ich kann –“
„Schhh.“ Er legte einen Finger auf ihre Lippen. „Bei allem, was du gestern durchgemacht hast, ist es besser, wenn du dich ausruhst. Außerdem habe ich für heute Morgen ein ganz besonderes Projekt geplant, bei dem du mir helfen musst. Und das kannst du nicht, wenn du erschöpft bist.“
Ihre Augen funkelten. „Was für ein besonderes Projekt ?“
„Ich dachte, wir könnten das Tor abbauen. Ach, und auch die ganzen Warnschilder. Jemand hat mir klargemacht, dass wir sie nicht mehr brauchen.“
Ein wunderschönes
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