Kann es wirklich Liebe sein
darüber nachdachte, wie die ganze Sache weitergehen sollte. Sie war mutig und wild, doch auch verletzlich.
Er legte ihr sanft einen Finger unters Kinn. „Mach dir keine Sorgen. Wir finden eine Lösung.“
Sie sah ihn unsicher an und sein ganzes Inneres fühlte sich zu ihr hingezogen. Am liebsten hätte er ihr beruhigend übers Haar gestrichen und ihr versichert, dass niemand ihr jemals etwas Böses tun würde.
* * *
„Nun, Archer?“
Travis ’ Züge wurden hart, als er sich Hayes zuwandte. Der Mann war ein absoluter Schaumschläger. Er hatte keinerlei Macht – nicht hier, wo er von vier bewaffneten Männern umringt war. Seine einzige Möglichkeit war gewesen, an ihr Ehrgefühl zu appellieren. Hayes wollte Schutz für seine Nichte und das rechnete Travis ihm an, doch er war nicht Manns genug, sich selbst darum zu kümmern, weil er unter der Fuchtel seiner Frau stand. Meredith verdiente wirklich Besseres.
„Ich gebe Ihnen morgen unsere Entscheidung bekannt. Kommen Sie wieder hierher.“ Travis gab Crockett ein Zeichen. Sein Bruder übergab die Waffe an Jim und ging auf Hayes zu.
Der wich mit dem Rücken an die Wand. „Morgen ist zu spät, Archer. Ich verlange ...“
„Sie sind hier nicht in der Position, irgendetwas zu verlangen“, schnappte Travis, dessen Geduld zur Neige ging. „Mein Bruder bringt Sie zu Ihrem Pferd.“
„Hier entlang, Hayes.“ Crockett sprach durch zusammengebissene Zähne, als er die Schulter des Mannes ergriff und ihn aus dem Raum schob.
Merediths Onkel schnappte sich schnell seinen Hut und verdrehte den Kopf, um noch einmal Travis anzuschauen. „Was ist mit meiner Nichte?“
„Der geht es noch nicht gut genug, um zu reisen. Sie bleibt hier.“
Der Mann starrte ihn finster an, widersprach jedoch nicht mehr. „Denken Sie an meine Worte, Archer.“ Hayes hielt sich am Türrahmen fest. „Morgen früh komme ich zurück. Und ich bringe einen Pastor mit.“
Travis sagte nichts, sondern starrte dem Mann hinterher, der unter Crocketts nicht allzu sanfter Führung das Haus verließ.
„Travis?“ Merediths leise Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Die Art, wie er mit ihrem Onkel umgesprungen war, mochte ihr nicht gefallen, doch auch Höflichkeit konnte nur bis zu einem gewissen Grad strapaziert werden. Er weigerte sich, höflich zu einem Mann zu sein, der seiner eigenen Nichte solche Ungeheuerlichkeiten unterstellte. Sie sollte dankbar sein –
„Mein Onkel wird seinen Mantel brauchen.“ Meredith hob das Kleidungsstück hoch und reichte es ihm mit einem offenen Lächeln, das in keinster Weise bewertend wirkte.
Als er ihn nahm, schmiegte sie sich in das Hemd, das er ihr am Abend vorher gegeben hatte, und nickte entschlossen. Travis wurde bewusst, dass sie sich gerade völlig vom Schutz ihres Onkels losgesagt und sich dem seinen anvertraut hatte.
Er starrte sie einen Moment lang an, dann erwiderte er ihr Nicken.
„Neill.“ Travis reichte den Mantel weiter. „Sieh zu, dass Hayes seinen Mantel bekommt. Jim, folge unserem Gast bis zur Straße. Wir wollen doch nicht, dass ihm auf dem Heimweg ein Missgeschick passiert.“
Jim nickte und sein Gesichtsausdruck versicherte Travis, dass es heute keine Überraschungen mehr geben würde.
Als die beiden jungen Männer gegangen waren, wandte sich Travis noch einmal an Meredith. Ihre Lider flatterten bereits und ihre Schultern schienen tiefer in die Kissen zu sinken. Die Anstrengung des Besuches ihres Onkels war offenkundig zu groß gewesen.
„Schlaf jetzt, Meri“, sagte er und trat näher ans Bett heran.
Meri. Ihm gefiel dieser Spitzname. Er erinnerte ihn an das Mädchen, das er zwölf Jahre zuvor im Wald kennengelernt hatte, das Mädchen, das zu einer wunderschönen, klugen, starken und mutigen Frau he-rangewachsen war.
Er zog die Bettdecke zurecht. „Die Jungs und ich kümmern uns um alles.“
Sie lächelte zufrieden. „Ich weiß.“
Leise schlich er aus dem Zimmer, ging zu Crockett auf die Veranda und beobachtete, wie Hayes begleitet von Neill wegritt. Jim war irgendwo zwischen den Bäumen auf Beobachtungsposten. Crockett stand hinter Travis.
„Dir ist schon klar, dass einer von uns sie heiraten muss?“
Travis atmete tief ein und zögerte so den endgültigen Moment hinaus, der kein Zurück mehr gestatten würde. Dann stieß er ein tiefes Seufzen aus. „Ja.“
* * *
Während des ganzen Abendessens hing Everett Hayes Forderung wie ein Damoklesschwert über ihnen. Niemand sprach, als hätten alle Angst, eine
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